Heerscharen jugendlicher Vandalen stehen mit Posaunen der Marke „Jericho“ vor den bröckelnden Mauern der Bildungsbürgertumsfestung und was sie spielen, ist nicht gerade La Paloma. Deutschlands Ruf Heimat der Dichter und Denker zu sein – der Vorzeige-Sozialstaat – vaporisiert sich und übrig bleibt der abgestandene Duft des Parfüms „Überheblichkeit“. Vorbei sind die Jahre, in denen unsere Kinder sich organisieren ließen und Kraft durch Freude entwickelten. Am Wochenende liegen nun Berge betrunkener Kids auf der Asche ihrer Abgangszeugnisse. Glaubt man den Medien, so sind unsere Kinder eine Bande wilder Wikinger, die Morgenstern schwingend durch die Gegend brandschatzen.
Zum Glück übernimmt RTL nun die Erziehung. Experten wie Katia Saalfrank und Annegret Noble setzen die Problemfälle auf die Treppe oder lassen sie mit den Wölfen tanzen. RTL zeigt Motivationsreden wie: „Du kannst es schaffen (konzentrier' dich Luke)!“ und „Du musst deine Gedanken verändern (konzentrier' dich Matt Parkman)!“ gepaart mit großen Emotionen – und sie zeigen, dass die Eltern oftmals der „Highway to Hell“ sind. Tja, Lieben will gelernt sein – und damit meine ich nicht den Straßenstrich als Ausbildungsberuf. Zu Lieben heißt nicht aufzugeben – sich nicht und auch den anderen nicht. Warum vertrauen die Menschen sich selbst und ihrer Intuition so wenig? Wie weit sind wir gekommen, wenn wir unsere Kinder mithilfe des Fernsehens erziehen? Und was heißt überhaupt erziehen? Unsere Kinder führen doch nur konsequent weiter, was wir angefangen haben. Ich meine, wir sitzen vor der Glotze und gucken „das wahre Leben“ - was ist denn das da draußen vor unserer Haustür? Das richtig wahre Leben - Full HD im Directors Cut? Wie wäre es, dass wahre Leben zu leben? Ich habe das Gefühl, manche Eltern sind weiter entfernt von ihren Kindern als der Alpha Zentauri von der Erde.
Die öffentliche Meinung hat die Schuldigen an der Misere bereits gefunden. Es ist das Internet mit seinen Pornos, die Ballerspiele und SidoBushido. Zum Glück ist das Leben so einfach. Gut, sprachlich machen wir gerade ein Sodom und Gomorrha durch, und ich fürchte mich vor dem Tag, an dem mein Sohn Dinge sagt wie: „Isch geh Fitness und komm Bahnhof – oder kP“.
Trotzdem bleibt die Frage, was eigentlich mit unseren Kindern passiert. Wir sind doch auch mit Vorbildern groß geworden, die über die Stränge geschlagen sind. Ist nicht der "Michel aus Lönneberga" von gestern, der Sido von heute? Wir regen uns über unsere Kinder auf und kaufen ihnen bei Ikea DVDs von einem rothaarigen Mädchen, das mit einem Affen und einem Pferd zusammen lebt, lügt, bis sich die Balken biegen und nicht zu vergessen – die stolz auf ihren Vater ist, der sogar der Kopf einer kriminellen Organisation ist. Hat es uns geschadet?
Wir zeigen mit dem Finger auf unseren Nachwuchs, als wäre er ein Fremdkörper. Wir übergeben die Verantwortung anderen und wundern uns, dass uns unsere Kinder nicht mehr zuhören. Unsere Kommunikation ist beim Turmbau zu Babel angelangt, und Deutschlands Familien wünschen sich den Universal-Übersetzer aus dem Star Trek-Universum. Wir stecken Jugendliche in Programme, Maßnahmen und geben ihnen vor, was sie erreichen müssen. Wir vergessen nur, ihnen zu vorzuleben, wie sie es erreichen können. Wir wundern uns, dass sie die Orientierung verlieren. Leider gibt es kein TomTom Navi durchs Leben. Zukunft ist für die Jugendlichen morgen, und gut ist, was jetzt nicht schlecht ist. Wir wollen eine bessere Jugend, dann sollten wir bei uns anfangen. Kinder kann man nicht erziehen, sie machen uns eh alles nach! Den Arsch von der Couch – eine Transformation von Al Bundy in Jean Pütz und die Kinder neugierig machen auf das Leben. Auch mal Zeitungen lesen, die keine Titten auf Seite 1 haben – vielleicht sogar mal ein Buch. Der ewige Ruf nach Vorbildern bleibt. Verantwortung ist keine Pfandflasche!
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