Dienstag, 6. Januar 2015

HIPHOP

HipHop started out in the Parc…when the Days got dark…got me reminiscing back…!”
(Smif-N-Wessun)

Mit HipHop verhält es sich wie mit den Weltreligionen: Die Ideen, die moralischen Grundsätze sind wunderbar, aber die Interpretationen und Umsetzungen des Ganzen durch Einzelne werfen einen langen Schatten. Missverständnisse, Klischees und Vorurteile prägen das Bild.
Gefangen zwischen Pop und Subkultur, zwischen Poesie und Polemik wird diese Kultur fast täglich auf den medialen Opfertisch getragen. Einige schreien frenetisch „Ich lebe für HipHop“, andere rümpfen die Nase und deklarieren ihn als jugendgefährdend. HipHop ist und bleibt ein Phänomen und für die Masse unverständlich – obwohl im er Mainstream immer mehr konsumierbar geworden ist.

Seit ich denken kann musste ich mich für meinen Musikgeschmack oder vielmehr für meine Liebe zur HipHop-Kultur entweder rechtfertigen oder entschuldigen. Zumindest in bestimmten Kreisen und je älter ich werde, desto absurder werden die Sprüche, die ich mir geben muss. „Bist du dafür nicht schon zu alt!?“ oder „Wie lange glaubst du, kannst du das noch machen?“ oder „Du Hängengebliebener!“ Zugegeben, es gibt auch sehr viel positives Feedback und genau darin spiegelt sich die Zerrissenheit unserer Gesellschaft wieder.
Wenn ich sagen würde, ich bin Profi-Fußballer und verdiene 1,2 Millionen im Jahr, dann würden mir wahrscheinlich die Schultern geklopft. Wenn ich nach meiner Fußballer-Karriere dann im Fernsehen stehen und versuchen würde ein Fußballspiel zu kommentieren, dann würden alle sagen: „Der versteht wenigstens was davon, der hat es ja selber jahrelang gespielt!“
Nur bei uns HipHop-Leuten scheint Erfahrung und Alter eher etwas Negatives zu sein. Dass wir bei Fußball aber von Sport und bei HipHop von Kultur reden, dass man Fußball SPIELT und es keinen größeren Anspruch gibt als Tore zu schießen, dass vergessen viele. Ich möchte mich gar nicht negativ über Fußball auslassen, denn, wenn ich sehe, wie viele Jugendliche durch die Liebe zu diesem Sport Kraft finden und wie viel Spaß er macht, dann hat er meine 100%ige Unterstützung – auch wenn ich kein Fußball-Verrückter bin.

Ich fühle mich manchmal wie der Bewohner eines Gallischen Dorfes, umzingelt von Helene Fischer-Fans (No hate – Lass sie!). Offensichtlich schafft es unsere Gesellschaft neben den authentischen, schießwütigen, tätowierten, rappenden Ex-Justizvollzugsinsassen über die überall berichtet wird, die Existenz der anderen Waagschale vollends auszublenden. Ich würde lachen wenn es nicht so traurig wäre, aber das Harlekin-Kostüm steht mir einfach nicht.

Ich hingegen kämpfe mit lächerlichen Gesten, Yo Yo-Rufen und den obligatorischen „brennenden Mülltonnen“. XXL-Shirts und schiefe Caps werden belächelt, aber Kicker-Matte, T-Shirt in die Karotten-Jeans und Ed Hardyeske Desingsn sind akzeptiert. Okay, es hat sich vieles geändert. HipHop ist groß wie nie, er hat sich in alle Teile der Gesellschaft gesneakt und bestimmt die Ästhetik vieler Dinge. Die jüngere Generation hat diese Aversion nicht mehr, aber sie hat traurigerweise zu oft, ein zu einseitiges Bild von HipHop.

Auf der einen Seite finde ich es erfrischend zu sehen, dass Rap aus Deutschland mittlerweile mehr Relevanz hat, als der aus den USA. Heutzutage lässt sich der Nachwuchs mehr von den Rappern aus ihrer Nachbarschaft inspirieren, als von den Weltstars. HipHop ist endlich ganz in Deutschland angekommen – mit eigener Identität. Früher war das nicht so.
Andererseits ist die Gefahr allerdings auch hier, dass es wieder ein Extrem ist. Sind wir ehrlich: HipHop ist nicht nur USA und BRD - schönes Beispiel ist doch an dieser Stelle die Kollabo von Retrogott und Brous One aus Chile. Es ist so viel großartige Zusammenarbeit möglich geworden – dank des Internets.

Ich komme aus einer Zeit, in der der HipHop U.S.-geprägt war und das hat meinen Geschmack extrem beeinflusst.
Rückblickend haben wir uns anfangs mehr an den amerikanischen Acts orientiert, als an uns gegenseitig – ganz schön bescheuert eigentlich. Wenn ich jetzt zum Beispiel alte Aphroe Songs höre, dann frage ich mich ernsthaft, warum wir über den Teich geblickt haben, wo das Gute doch direkt neben uns war. Das einzusehen hat allerdings fast 15 Jahre gedauert.

Ich kämpfe mit der Zwiespältigkeit, der Existenz zwischen Bildung/Wissen und völliger Ignoranz. Einfach ausgedrückt: Ich stehe zwischen KRS und Snoop Dogg. Ich mag übrigens beide. Während HipHop hierzulande hooliganmäßige Formen des Fantums angenommen hat, sieht es in den USA. anders aus. Dort kooperieren Leute, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben – z.B. Public Enemy/Ice Cube oder Nas/Scarface. Hier in Deutschland wäre eine Kollabo zwischen Bushido/Torch damit vergleichbar. Das klingt für jeden eher undenkbar, denn das ist nur dann möglich, wenn entweder a) sich alle als Teil einer Sache sehen oder b) es ein gemeinsames Ziel gibt. Beides ist momentan wohl nicht vorhanden.
Ich stelle mir die HipHop-Community wie eine große Familie vor – und um ganz realistisch zu sein – seine Verwandtschaft sucht man sich nicht aus. Zu den Einen hat man ein gutes Verhältnis, zu Anderen ein eher distanziertes. Ich habe Menschen in meiner Verwandtschaft, mit denen möchte ich auch nicht unbedingt in den Urlaub fahren. Am Ende allerdings, steht man doch zusammen. „Gleiches Blut.“

Wenn ich mir Rap in Deutschland genauer betrachte, dann stelle ich fest, dass ich mittlerweile mehr „Street“ oder „Gangster“ Rapper aus den Massen-Medien kenne als „Concious-Spitter“. Ich lese im Spiegel etwas über Rapper, die als Terroristen betitelt werden oder von Gangster-Rappern, die Geldtransporter überfallen. Im Gegenzug liest man – wenn man Glück hat – vielleicht etwas über das Phänomen Cro – aber das war's dann schon fast mit positiver Berichterstattung.

Ich weiß, dass es da draußen eine Menge an großartigen MCs gibt, die andere Themen verarbeiten als Straße oder Gangstertum, aber Sex und Crime sells – der Beste im Lesewettbewerb zu sein macht einem nicht grade zum sexy Aufreißer.

Auch interessant ist, dass 3 von 4 erfolgreichen Rappern in Deutschland Masken tragen bzw. trugen - wobei man bei Marsimoto sagen muss, dass ja jeder weiß wie der Marten aussieht. Anders ist es bei Sido (auf jeden Fall lange gewesen) und jetzt bei Cro. Sogar im Underground macht sich das Masken tragen breit - siehe Genetikk oder Lance Butters. Versteht mich nicht falsch, ich habe nichts gegen das Maskieren – ich finde es nur interessant zu sehen, dass der Mainstream offensichtlich besser mit deutschsprachigem Rap klar kommt, wenn sich der Protagonist sich nicht zu erkennen gibt. Warum? Was löst so eine Maske aus?

Viele Leute sagten mir vor längerer Zeit, ich sollte doch auch mal „so etwas“ machen. Damit meinten sie „Street“-Rap. Zu 95% waren es Leute, die mit HipHop nichts zu tun haben – für die es keinen Unterschied zwischen Fantas und Blumentopf gibt. Sie behaupteten, ich sei besser als „diese“ ganzen Sidos und Savas' (so sagten sie es). Ich hasse diese Ansprache. Ich teile ihre Meinung nicht, denn es ist – und ich meine es wertfrei – als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen. Wo fängt „besser“ überhaupt an? Bei Inhalten, bei Technik ? Jeder der oben genannten Künstler hat seinen Platz oder wie sagt man: Jeder Affe hat seinen Ast. Auch ich hab meinen. „Diese“ Sidos und Savas' sind eine Bereicherung für die HipHop-Kultur – genau wie die Caspers und Ekos. Die Vielfältigkeit macht sie so Interessant – unsere Kultur.
Es ist und war nie meine Intention mich dem Zeitgeist oder dem Massengeschmack anzupassen. Oder soll ich mir jetzt eine Maske aus Fimo basteln oder mit Henna den Oberkörper tätowieren nur um in die Ikea-Schublade für Klischee-Rapper zu passen? Musikalisches Pinguin-und Lemmingtum sind mir zu wider. Mein Musikmachen hat nicht mit Kunden bedienen angefangen. Ich habe mich für Musik als Ausdrucksmittel entschieden – nicht als Mittel zum Geld verdienen. Ich habe größten Respekt vor z.B. Kellnern oder Kassierern, die arbeiten um Geld zu verdienen, ohne die Chance sich in ihrem Beruf verwirklichen zu können und gerade deshalb ist es ein Privileg für mich von HipHop zu leben.
Viele denken oder erwarten von mir, dass ich ein Gegner von Gangster- oder Battle-Rap bin, aber das bin ich nicht. Ich meine, um es bildlich auszudrücken, immer nur grüner Tee wird auf Dauer auch eintönig. HipHop ist ein Spiegel des Lebens,
mit allen Facetten. Das Schöne daran ist, jeder kann entscheiden, was er hören will – außer vielleicht die Leute in Bürogemeinschaften.
Rap ist mehr als Entertainment – es ist Edutainment. Der Gangster-Rapper mit Straßen-Background kann mir was über sein Leben erzählen, egal ob dreckig oder krass – solange er reflektiert ist, ist er interessant und spannend für mich. Wenn allerdings die Geschichten sich immer wiederholen, dann verkommt der „authentische“ Street-Rap zu einem musikalischen Arzt-Roman mit GZSZ-Dramartugie und wird langweilig. Das Glorifizieren von ghettoesken, miserablen Lebensumständen ist doch ein Schlag ins Gesicht jeden echten Sozialfalls. Aus dem „schlimmste Ghetto“ zu kommen als Attribut für die Qualität des eigenen Raps zu stilisieren, ist furchtbar peinlich.

Schwulenfeindliche, frauenfeindliche oder gewaltverherrlichende Phrasen zeugen nur von davon, dass entweder die Entwicklung des jeweiligen Menschen nicht besonders weit ist oder jemand genau diese Dinge sagt, um zu gefallen. Natürlich bin ich für Meinungsfreiheit, aber auch für Verantwortung.
Beef“ ist Schulhof-Promotion. Es wird mehr darüber geredet, wie sich die Rapper beleidigen und warum – es wird spekuliert, was echt und was wahr ist.
Ich kann mir jetzt 15 bis 30 minütige Hasstiraden anhören (Pluspunkt dabei ist, dass es die durchschnittliche Durch-Lesezeit einer Bildzeitung um mindestens das 10fache übersteigt), in Szene gesetzt bei YouTube – mit viel Drama. Wo ist die Message? Worum geht es eigentlich? Okay, nicht alles muss immer einen Sinn ergeben, aber nicht alles muss immer keinen ergeben.


Ich mag Einblicke in ein Leben, das ich nicht lebe, aber ich mag auch Bewegung. HipHop war und ist ein Weg in andere – vielleicht bessere Umstände. Er gibt einem eine Stimme, er zeigt einem seine Grenzen aber auch Perspektiven – er schenkt einem Selbstbewusstsein und lässt einen wachsen. Wenn man es zulässt.


Montag, 7. März 2011

"Good morning Vietnam"

Aus gegebenem Anlass, hier etwas früher als gewohnt, da die Print-Ausgabe des Stadtkind erst seit ca. einer Woche erhältlich ist. Man möge es mir nachsehen, aber diese Leinehertz-Sache...tstststs....aber genug der Vorworte, LOS GEHT'S.......

Es war einmal...
Früher habe ich mit meinem Radio-Kassettenrekorder samstags immer die Charts gehört und die schönsten Lieder aufgenommen. Das ist lange her. Kassetten sind die Quastenflosser der Audiotechnik – irgendwo gibt es noch welche, aber so richtig was anfangen kann keiner was damit. Diese Technik hat sich überlebt und eignet sich nur noch, um sich an „die guten, alten Zeiten“ zu erinnern. An die Vergänglichkeit und an die Zeit, in der man sich nicht alles sofort beschaffen konnte – ich nenne sie mal „die Zeit der Nicht-Sofortigkeit“.
Dann kam die Pubertät – Sturm und Drang, vor allem aber der Wunsch nach Individualität und Selbstbestimmung. Ich wollte entscheiden, was ich esse, tue und höre. Irgendwie war mir die Konformität nicht grade in die Wiege gelegt worden – trugen alle Pullunder, trug ich eine Motorradlederjacke, und jemand mit Lederjacke und Adidas Allround hört keine Charts! Denn was sind die Charts? Die Charts sind ein Spiegel des Massengeschmacks, etwas, worauf sich viele Menschen geeinigt haben, ohne Ecken und Kanten, oftmals auch ohne Leben – etwas, dass viele Menschen konsumieren. Als ich anfing, Rap-Musik zu hören, da gab es das nicht im Radio – bis auf einige wenige Ausnahmen.
In meiner Erinnerung dominierten in den 80er-Jahren die 80er-Jahre-Sounds und in den 90ern auch und jetzt irgendwie immer noch. Um es auf den Punkt zu bringen, das Radioprogramm ist seit 30 Jahren Chris de Burgh, Cindy Lauper und Duran Duran. Visionär kann man das nicht grade nennen. Ein „Radio-aktiver“ Murmeltiertag – nur ohne Bill Murray und ohne Murmeltier. Same same – but different!?
Ich musste also zwangsläufig gegen das Radio sein, denn das Radio war in meinen Augen faschistoid, es war ignorant. Wo waren Paris, Big Daddy Kane oder N.W.A.? Wo waren meine Helden? Man spielte meine Musik nicht mal in homöopathischen Dosen, man verweigerte sich. Ich wünschte mir, damals, es gäbe den „Piratensender Powerplay“ wirklich – Thomas Gottschalk und Mike Krüger 1981. Sie spielten, was kein anderer spielte.
Zurück in die Gegenwart...
Vielleicht liegt meine Aversion gegen das Radio darin, dass ich ein ähnliches „Problem“ wie Public Enemy hatte: „...Radio Suckas never play me!“ Das rappten sie und trafen damit den Nagel auf den Kopf. Warum sollte ich Radio hören, wenn nichts gespielt wurde, was ich hören wollte. Warum gab mir das Radio nichts zu entdecken? Früher gab es Redakteure – meiner Meinung nach bestand eine ihrer Aufgaben darin zu „diggen“ – also zu graben wie ein Goldgräber und Nuggets zu finden. Mittlerweile sind diese Leute Recycler geworden, oder besser: Bewahrer. Bewahrer von ihren quotenabhängigen Jobs mit Wohlstandsbauch und ohne Hunger. Mutlos, langweilig und überflüssig.
Bürgerfunk hatte für mich immer etwas von Audio-B-Movie. Da machen Leute in ihrer Freizeit eine Sendung und spielen ihre Lieblingsmusik – von Bibelpop bis Bauchtanzmusik. Amateur-Amateure, überambitioniert und dabei völlig talentfrei. So dachte ich. Bis ich eines Tages Kontakt mit so einem Bürgerfunk hatte. Freunde hatten eine eigene Sendung bei Radio Flora – man spielte Rap-Musik, und man konnte anrufen und live im Radio rappen. DAS war Subkultur ohne Anspruch auf Massenakzeptanz: „for us – by us“. Unprofessionell, aber dafür voll auf die Fresse. Diese Sendung änderte meine Meinung zu diesem Thema grundlegend. Irgendwann wurde aus „Raider“ „Twix“ und aus Radio Flora Leinehertz.
Bis vor ein paar Wochen konnte ich uneingeschränkt Leinehertz hören und mich freuen. Mal Hamburger Schule, mal lokale Bands wie Tanner oder Sustar – ich hörte das sympathisch gebrochene Deutsch eines Russen, kongolesische Heimatmusik, auch tolle unbekannte orientalische Klänge. DAS nenne ich diggen. Gut, einige sind Amateure – so wie auch ich einer wäre, wenn ich beim Lokalradio eine Sendung machen würde –, aber sie sind Idealisten. Ich glaube, das unterscheidet so einen Sender von den kommerziellen Anstalten.
Doch dann geschah etwas, eine Art 11.September des Bürgerfunks, ein musikalisch terroristischer Anschlag – Leinehertz verwandelte sich. Es war fast wie bei „Face off“ mit Cage und Travolta, die ihre Gesichter tauschen, nur das in unserem Fall Radio Leinehertz nicht getauscht hat, sondern sein Gesicht verlor. Alles, was diesen Sender ausgemacht hatte, verschwand scheinbar über Nacht. Das einzige, was uns blieb, sind die Station IDs, die uns im Sekundentakt daran erinnern, welchen Sender wir grade hören. Die Frage ist doch, warum muss man uns so oft daran erinnern? Vielleicht liegt die Antwort in der Austauschbarkeit des Programms. Es fehlt die geliebte Individualität. Leinehertz hören heißt in diesen Tagen, eine nordkoreanische Militärparade hören – Gleichschaltung und Konformität. Und ihr wisst, was ich von Konformität halte! Fight for your right!

P.S.: Ich hatte noch diesen tollen Satz, der leider nicht in die Kolumne passte: „Video killed the radio star“ – Quote killed mutige Redaktion, und Internet killed it all!  

Dienstag, 22. Februar 2011

Gekko

Ich hab mich letztens mal in meinem Freundeskreis umgehört, und die eindeutige Meinung lautet: Geiz ist NICHT geil, aber Geld zu haben finden alle im Allgemeinen ganz gut. Ein Großteil der Leute meinte aber auch, dass die Ausgaben zu oft überproportional zu den Einnahmen stehen; das wiederum findet die Bank nicht gut - STOP! Das stimmt ja so nicht – die Bank verdient ja an unseren Schuldenm, und das ist ja das Paradoxe an unserem System. Verschwörungstheoretiker würden behaupten, dass die Kreditkarte deshalb erfunden wurde, weil man damit besser den Überblick verliert. Die Kreditkarte wird ja nicht weniger – also die Karte an sich, und man behält sie. Das Blöde ist, dass man nicht nur die Karte behält – die Schulden behält man ja auch.
Der Weltwirtschaft gefällt es, wenn wir viel Geld ausgeben. Deshalb sagt man auch „Geiz ist geil“ und nicht „Sparen ist geil“ oder „Geld in die Matratze ist geil“. Darauf baut im Endeffekt alles auf. Irgendwer produziert, ein anderer kauft. Wenn also nicht gekauft wird, dann muss auch keiner produzieren. Wenn keiner produziert, dann stehen die Maschinen still, und man geht spazieren oder guckt „die Auswanderer“. Man ist arbeitslos. Das nennt man dann Weltwirtschaftskrise. Arbeitslosigkeit finden auch alle nicht gut, und deshalb gibt der Staat einigen Leuten Geld oder gerne auch Jobs und Maßnahmen, für die sie dann Geld bekommen, das sie dann wiederum ausgeben für Sachen aus dem Teleshop aus China, womit dann die Chinesen ihre Staatsrücklagen von 2,5 Billionen noch erhöhen und mehr Chinesen Arbeit haben, und wo das alles hinführt, weiß ich auch nicht.
Ich habe letztens gelesen, dass der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler bezweifelt, dass die deutschen Goldreserven, die in den Vereinigten Staaten lagern, physisch wirklich existieren. Ich meine, wir reden nicht davon, dass Deutschland seine Milliarden an Staatsvermögen auf einer Volksbankchipkarte gespeichert hat und die dann irgendwo einschließen lässt, sondern von tonnenweise Goldbarren. Selbst bei den Goldpreisen passt das nicht in Omas Sparstrumpf. Mal unter uns, tausend Tonnen Gold sind nicht grade die Nadel im Heuhaufen, oder!? Goldleaks? War vielleicht „Stirb langsam – Jetzt erst recht“ eine Dokumentation und keine Fiktion? Sind „unsere“ Goldbarren mit Kippladern aus den Kellern der Federal Reserve Bank gestohlen worden, und Bruce Willis schwitzte – was „unseren“ Guido sehr erregte – sein Unterhemd für sein Geburtsland voll?
Unterm Strich könnte es mir egal sein, aber ich möchte keine Inflation wie 1929. Da war das Geld so wenig wert, da musste man mit einem Siebeneinhalbtonner zum Kiosk fahren, um sich eine Schachtel Kippen zu kaufen. Für weniger muskulöse Menschen war ein Einkauf relativ unmöglich. Die Kapitulation vor dem Kapital – ein schreckliches Kapitel voller kapitaler Fehler unserer Kapitäne. Ich weiß, der Satz ist nicht besonders aussagekräftig, aber ich finde ihn trotzdem gelungen.
Ich selbst finde es immer schrecklich, kein Geld zu haben. Selbst wenn ich eine Kreditkarte dabei habe fühle ich mich nackt. Ich bin von der alten Schule und trage lieber einen Beutel Sesterzen durch die Gegend, als der Kombination Magnetstreifen-Internet/-Telefonleitung zu vertrauen. Digitales Zeitalter hin oder her, meine Maxime sind die zwei M – echte Menschen, echte Münzen. Deshalb tue ich mich auch so schwer, Geld anzulegen. Sagen wir mal so, könnte ich mein Geld auf einem Feld vergraben, und ich müsste es hegen und pflegen, müsste die Heuschreckenschwärme vertreiben und gegen die Pleitegeier Vogelscheuchen aufstellen, könnte ich ihm beim Wachsen zusehen, dann wäre es mir lieber, als es in einem Fonds anzulegen, der neben Firmen für Futtermittel vielleicht sogar Waffenhersteller beinhaltet. Viele klammern sie vielleicht aus, aber Moral ist für mich eine wichtige Sache, auch beim Geldverdienen.
Da fällt mir ein, dass ich im Radio hörte, dass ein Kirchlicher Fonds gerügt wurde, er würde für seine Kunden Renditen unter anderem aus Waffengeschäften und Alkohol gewinnen. Wertpapiere von Firmen, die in eher unchristlichen Segmenten tätig sind, seien Teil ihrer Fonds. Den kirchlichen Fonds wurde deshalb nahegelegt aus Gründen der Ethik von derlei Investitionen Abstand zu nehmen, da sie aus Sicht der Kirche nicht vertretbar seien. Die Antwort des Fondsverwalters zu diesem Thema war – aufs Wesentliche heruntergebrochen –, es gebe keinerlei Diskrepanz zu christlichen Werten. So viel zum Thema Nächstenliebe, Moral und Profit.
Aus den Aufklebern, die in den Achtzigern populär waren, haben wir nichts gelernt. Ich glaube sogar, der Herr Gordon Gekko würde die Cree-Weißsagung umformulieren in:
„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld essen kann.‘‘ Schmeckt nur scheiße – aber egal!
Ich für meinen Teil befeuere die Wirtschaft, investiere in Sneakers und DVD-Boxen, und wenn allen anderen irgendwann der finanzielle Himmel auf den Kopf fällt, dann sehe ich verdammt gut beschuht aus in meiner eigenen Videothek, in der ich dann Filme im Tausch für Lebensmittel anbiete.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Singapur pur - ein Reisebericht

Reisen bildet. Ich weiß jetzt zum Beispiel, dass Orang-Utan „Mann des Waldes“ heißt. Nicht dass mich das in meinem Leben weiterbringt, außer ich werde mal zu Jauch eingeladen, aber ich mag so ein Jeopardy-Wissen. Ich habe auch erfahren, dass Singapur eine durchschnittliche Temperatur von circa 31 Grad hat und dieser Stadtstaat zu 120 Prozent aus Shopping Malls besteht. Mich würde nicht wundern, wenn sie Singapur bald komplett überdachen. Die gefühlte Luftfeuchigkeit ist so türkisches Dampfbad mit einem bisschen Waschstraßenatmosphäre.
Was man von Singapur gehört hat ist, dass man für so ziemlich alles, was man tun kann, bestraft wird – drakonische Strafen wohlgemerkt. Da gab es diesen Schweizer Grafittimaler, der für den Einbruch in einen Yard ins Gefängnis musste und zudem noch ein paar Stockhiebe auf den Arsch bekam. Man mag wohl kein illegales Grafitti in Singapur.
Changi, der Flughafen Singapurs, ist schön. Sehr aufgeräumt. Es gibt sogar einen Nike-Store, was uns gleich richtig auf unseren Aufenthalt eingestimmt hat.
Die Fahrt vom Flughafen weg war wenig spektakulär. Man fährt hier links, hat aber das Lenkrad rechts. Verkehrsregeln sind dadurch echt spannend – eine spiegelverkehrte Folge Quiz-Taxi. Und man gibt übrigens kein Trinkgeld, irgendwie ungewohnt. Es gibt auch verschiedene Taxen und Taxi-Tarife und Zeiten, zu denen sich die Tarife ändern; je nachdem wo man sich befindet. Ich glaube, man kann hier eine Ausbildung zum Fahrgast machen. Busse sind keine Alternative – die Fahrpläne sind Rocket Science.
Singapur ist das Land mit den zwei Klimazonen, drinnen und draußen. Wie eingangs erwähnt sind es draußen 28 bis 31 Grad, während man drinnen nicht so kleinlich um zwei, sondern eher um mindestens zehn Grad runterkühlt. Die Konsequenz ist, dass wenn man leicht angeschwitzt von draußen eine klimatisierte Mall betritt, man kurz mal schockgefrostet wird. Ökologisch fragwürdig ist auch, dass zum Teil einfach draußen klimatisiert wird.
Geld schwingt hier das Zepter – Geld ist das dünnflüssige Blut der vierspurigen Venen dieser Handelstadt. Irgendwie kann man in Singapur nichts anderes machen als Geld auszugeben. Jeder kennt das alte Indianerzitat: „Erst wenn der letzte Baum gerodet usw., dann werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann!“ Die Singapuris schreiben wahrscheinlich mit einem Lackstift „Aber man kann sich davon was zu essen kaufen!“ drunter. Rückblickend betrachtet haben auch wir das gemacht – also Geld ausgegeben. Mall-hopping, entweder mit dem Taxi vor die Tür oder unter der Stadt durch verschiedene Verbindungstunnel von einer in die nächste. Kommerzieller Overload! Interessant ist allerdings, dass überall das Gleiche feilgeboten wird –und ich würde das „überall“ gerne noch unterstreichen. Gut, wir waren auf der Suche nach Sneakers, und da gab es ein paar spezielle Geschäfte, aber im Gros unterschied sich die Auswahl nicht sonderlich. In einer Mall, der Queensway-Mall, reihte sich Sneaker Store an Sneaker Store, lustigerweise gingen allerdings ALLE in dasselbe Lager. Verschiedene Geschäfte – ein Besitzer. So viel zum Thema „Konkurrenz belebt das Geschäft“. Schach mit sich selber spielen ist spannender. Unbefriedigend.
Neben den Singapuris bevölkern unfassbar viele Expats das Mini-Land. Das sind Menschen, die in SG arbeiten und die eine Art Parallelgesellschaft bilden.Sie leben in Kondos, fahren Prestigetaxen oder haben Fahrer und halten sich zu 99,9 Prozent in klimatisierten Räumen auf. Ich sage das übrigens völlig wertfrei. Wir selbst hatten das Glück, bei Freunden, die als Expats dort sind, für eine Nacht unterzukommen. Abgesehen davon, dass es uns Geld gespart hat, weil wir kein teures Hotel bezahlen mussten, war es einfach super, jemanden zu haben, der uns willkommen hieß und mit den Geflogenheiten vertraut machte – mal abgesehen davon, dass wir uns ewig nicht gesehen hatten. Kondos sind übrigens Wohnanlagen für Besserverdienende. So mit Pool, BBQ-Pit und so.
Essen ist ein Traum in Singapur. Hier gibt es alles – von Sushi über Brotzeit (bayerisch) bis vietnamesisch. Abseits von den Touristenrestaurants isst man besser und billiger in sogenannten Food Courts. Das sind überdachte, schulhofähnliche Plätze, auf denen feste Tisch-/Hocker-Kombinationen installiert sind, die von verschiedenen obskuren Garküchen umzingelt werden. Das ganze wirkt wenig vertrauenserweckend, aber man ist ja kein Feigling. Abgesehen von Geschmack und Sättigungswert ist es auch preislich eher Aldi, also bezahlbare Qualität. Neues Lieblingsgetränk ist Avocadosaft, neues Lieblingsessen Aal in Terriakisoße. Chinesisches Essen ist immer noch gewöhnungsbedürftig. Zu viel Glibber und Schleim. „I don't hate – but me don't like!“ Zu empfehlen sind noch die frischen Kokosnussdrinks, die einem auf der Straße angeboten werden.
Wenn man keine Lust mehr auf Beton-und Konsumdschungel hat, kann man versuchen, im Kapitalismusdickicht den anderen Teil Singapurs zu entdecken. Angefangen bei Stadtvierteln wie Little India oder China Town, bis hin zum Fort Canning Parc. In Letzterem waren wir übrigens zu später Stunde und wurden dort von Bullfrogs überrascht, die unfassbar laut – kuhgleich – in die Nacht quakten. Mehr innerstädtische, heimische Fauna findet man eigentlich nicht. Weil wir aber so Löwenzahn-/Sendung-mit-der-Maus-Kinder sind, mussten wir unbedingt raus zum Zoo. Für alle, die ein grundsätzliches Zooproblem haben, ist es natürlich nichts, aber für alle anderen ist er wirklich toll. Alles ist grün, tropisch und idyllisch. Der Zoo liegt auf einer Art Halbinsel, was den Planern die Möglichkeit gab, Bootstouren rund um das Gelände anzubieten. Dagegen ist die muckelige Fahrt im Hannover-Zoo leider eine Fahrt auf einem Feldweg mit einem Trabant. Die Nasenaffen waren beeindruckend, genau wie die weißen Tiger – die übrigens filmreif für uns im Wasser lagen – und die Orang-Utans. Die Anakonda war mächtig lang und dick, während die giftgrüne Königskobra keine Anstalten machte, ihren Hals zu blähen. Wahrscheinlich hatten schon zu viele dicke, dumme Kinder an ihre Scheibe geklopft, als dass sie sich davon noch provozieren ließ. Diese Kobra hat aufgegeben. Leider! Still wünschte ich mir kurz, als wieder ein Kind diabolisch gegen die Scheibe hämmerte, die Kobra würde ...
In einem Freigehege waren wir umgeben von riesigen Schmetterlingen, von Mini-Rehen, Lemuren und Flughunden. Alles um uns herum auf Tuchfühlung. Leider waren wir zu groggy für den Nachtzoo oder den Orchideengarten.
Zum Strand haben wir es nicht geschafft. Nur einer unserer Jungs ist am Sonntag noch mal dorthin und erzählte uns, es wäre wie eine MTV-Beach-Party abgelaufen. Unser Expat-Freund aus Deutschland sagte uns, dass ein Strandtag am Sentosa Beach wie ein Picknick an der Autobahn sei. Singapur hat einen riesigen Hafen, und mächtig viele Schiffe fahren tagein, tagaus da rein, da raus. Der Sand – so wurde mir gesagt – ist aus Australien importiert. Seltsame Vorstellung, dass Sand von einem Kontinent auf den anderen gebracht wird, aber offensichtlich besteht Bedarf. Wer bin ich, dass ich unser Weltwirtschaftssystem infrage stellen könnte?
Auffallend war, dass viele Singapuris KEINE asiatischen Namen mehr haben. Der Concierge in unserem Hotel hieß Dennis, die Bedienung beim Japaner Erica, und unser Produktionsleiter hieß Felix – alle allerdings mit asiatischem Aussehen. Singapuris sagen übrigens statt ja „can“ und statt nein „can not“. Warum? Ich habe keine Ahnung, aber wer bin ich, kulturelle Geflogenheiten infrage zu stellen. Was zählt ist, es läuft alles.
Wir sind mittlerweile wieder da, Hände noch dran, keine Streifen auf dem Arsch und auch sonst alles gut. Deutschland versank derweil im Schneechaos. Meine in Singapur mühsam gekauften Sneakers sind wohl noch auf dem Weg nach Hamburg und werden mir wahrscheinlich hoffentlich die nächsten Tage nach Hannover geliefert. Wir selbst fuhren mal wieder Bahn und erreichten unsere Heimatstädte mindestens vier Stunden später als geplant. Im Flieger hatten wir aus uns unbekannten Gründen die wohl beschissensten Plätze der Welt bekommen, und mein Hintern, mein Rücken sowie mein Nacken fühlten sich an, als hätte uns die Russenmafia mit Nothämmern bearbeitet. Aber wer bin ich schon, darüber zu jammern, wo doch alle unter der Situation zu leiden hatten.
Und auch wenn Christian Kracht über Singapur in seinem Buch „Der gelbe Bleistift“ sinngemäß schrieb, es wäre vergleichbar mit einem Dreitagesaufenthalt in einem Shoppingcenter in Göttingen, dann hat er im Nachhinein irgendwie recht. Aber irgendwie möchte ich noch mal nach Singapur, jetzt, wo ich weiß, wo es die besten Sneakers gibt, denn dann hätte ich die Chance, mich richtig auf Singapur einzulassen. Und ich bin mir sicher, es gibt genügend Dinge, die es zu entdecken gibt. Denn wer bin ich, zu behaupten, ich hätte schon alles gesehen.

Freitag, 14. Januar 2011

Vorsätzliche Vorsätze

Gute Vorsätze sind gut, deshalb heißen sie ja auch GUTE Vorsätze. Ich glaube, schlechte Vorsätze gibt es in diesem Zusammenhang nicht, aber vielleicht kann mich jemand eines Besseren belehren. Zumindest ist mir da nichts bekannt. Punkt! Interessanterweise gibt es diese Tradition der guten Vorsätze seit Ewigkeiten um den Jahreswechsel herum. Ich hab' mich immer gefragt, warum sich erst die letzten Zahlen eines Datums ändern müssen, bevor Leute sich vornehmen, aufzuhören scheiße zu sein.
Unter Vorsatz versteht man in der Psychologie eine Absicht, in einer bestimmten Situation ein bestimmtes Verhalten auszuführen. Die meisten Leuten, die ich kenne – mich inbegriffen –, verstehen unter Vorsatz ein „Kannmanmalmachenvielleichtwennspasst“. Es ist eine Art grobes Ziel mit anvisiertem Anfangspunkt, allerdings ohne große Hoffnung, dass man es wirklich macht. Es ist so eine Art Vorsatz zum Vorsatz. Bei dieser Art des Selbstbetruges ist das Timing von entscheidender Bedeutung. Man sucht sich einen Tag für den Beginn, einen besonderen Tag, zum Beispiel Montag oder den Neujahrstag – also einen Zeitpunkt, der in sich schon für einen Neuanfang steht. Und wenn man das dann verbockt, muss man entweder eine Woche oder ein ganzes Jahr warten, um wieder einzusteigen.
Ganz oben in diesen Murmeltiertagslisten – so glaube ich – stehen bei vielen, mit dem Rauchen aufzuhören und weniger Alkohol zu trinken – also Dinge, die einem ein schlechtes Gewissen machen, weil man weiß, dass sie nicht gut für einen sind, die man aber trotzdem macht, weil man auch mal Fünfe grade sein lassen muss. Der Mensch – der Trottel.
Jedes Jahr, wenn man beim Bleigießen seinen silbrigen Klumpen mal wieder als tumorisiertes Gehirn oder metastasische Leber gedeutet hat, fängt man an, seine neuen alten Ziele zu formulieren. Reumütig blickt man in den von Silvesterraketen erleuchteten Nachthimmel und murmelt gebetsmühlenartig seine Vorsätze ins Weltall. Man schreibt sich mit krakeliger Handschrift einen kleinen Zettel oder – wenn man total modern ist – postet es direkt bei Facebook. Facebook ist in diesem Zusammenhang ganz praktisch, denn sollte die Mutter aller Social-Network-Plattformen auch nächstes Jahr noch angesagt sein, kann man seinen Vorsatzzettel ja direkt copypasten.
Ich habe mal verschiedene Zettel mit Vorsätzen angefangen – mal so meine eigenen, und dann hab ich mir noch vorgestellt, was andere wohl darauf stehen haben.

Spax: Diese Kolumne nicht immer auf den letzten Drücker schreiben – mehr vegetarisch essen – weniger Sneakers kaufen – mehr Sneakers kaufen – weniger Cola trinken – mehr Wasser trinken – öfter zu Mama und Papa – besseres Zeitmanagement – Herr der Ringe 1–3, Rocky 1–6 und Star Wars 1–6 noch mal gucken – öfter in den Zoo – mehr Fahrrad fahren – das Mobiltelefon weniger oft in der Nähe der Geschlechtsteile tragen – mehr Sushi – weniger Thunfisch – diplomatischer sein – öfter Business as usual – weniger Facebook – mehr echtes soziales Netzwerk mit Anfassen und so – öfter Arte+7 – mehr Briefe schreiben – weniger Geburtstage vergessen – mehr lLeben – einen Affen streicheln – weniger X-Box spielen – mehr GP sammeln – öfter Software-Updates machen – öfter Time-Machine-Backup machen – noch mehr lachen – Stromberg gucken – mehr Urlaub – unbedingt Keller aufräumen – Comics sortieren – öfter die Wollmäuse aufsammeln – öfter das Parkett saugen – mehr lesen – auch mal selber kochen – weniger ärgern – ein noch besseres Vorbild für alle Menschen sein – mehr Serien gucken – weniger Fernsehen – mal wieder „Wetten, dass ...“ gucken, NOT! – die Bahn öfter bescheißen – mehr um die Haare kümmern – mehr Rap hören – jeden Tag eine gute Tat tun – mehr Zeit für die Familie – Schuhe putzen – öfter durch die Eilenriede joggen – endlich mein Album fertigmachen – mehr live spielen – auf Tour gehen ... usw.
Deutsche Bahn: Sich nicht immer von den Jahreszeiten überraschen lassen – nicht nur über Service reden, sondern auch welchen haben – nicht so viele Strecken vom Netz nehmen – hübschere ZugbegleiterInnen – kostenloses W-Lan im Zug usw.
US-Diplomaten: Sich mehr Zeit für die Depeschen nehmen – diplomatischer ausdrücken – auch mal jemandem ins Gesicht sagen, dass man ihn scheiße findet.
Westerwelle: Nicht immer vergessen, die Flugmeilen aufschreiben zu lassen.
E-Plus: Kundenfreundlichkeit, Tarife, Service – sich bei Herrn Szulc entschuldigen.

… so, das war's erstmal. Ich muss jetzt gleich zum Flughafen und meine Maschine nach Deutschland kriegen. Bis zum nächsten Jahr und bis dahin alles Gute, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch in 2011 rein.

Freitag, 17. Dezember 2010

Wohlfühlen, Wendand, Weihnachtsbäckerei

Ich verfluche den Tag, an dem mein Körper beschloss, jegliche Fettverbrennung einzustellen und es stattdessen in meiner Körpermitte abzulagern. Ich nenne diesen heiklen Bereich nicht ohne Ironie „mein Wendland“. Er ist nur eine Zwischenlösung – KEIN Endlager. Jeder, der mich kennt, weiß, das ist hier jammern auf hohem Niveau, denn man kann nicht grade behaupten, ich sei übergewichtig oder Blobb-artig, nur früher lag mein Körperfettanteil bei minus 25 Prozent. Ich sah aus wie ein mit Butterbrotpapier überzogenes Holzgerüst, deshalb hat ein Freund von mir auch gerne behauptet, man könne mich mit einem Teelicht röntgen.
Die Wende kam, als ich ohne Eintritt zu zahlen auf Ü30-Partys gehen konnte. Mein Körper fing an, seine Jugendlichkeit über Bord zu werfen und erwachsen zu werden – er wollte sogar Karriere machen und fing an zu expandieren. Früher hatte ich Tischtennis gespielt, Badminton-Federbälle geschmettert und Bruce Lee kopiert, jetzt schleppe ich meinen Hautsack pfeifend in den dritten Stock. Sieht man das V als Optimum für eine Form des Oberkörpers, dann bin ich jetzt bei der Form des Weihnachtsbaums angekommen – vielleicht noch nicht physisch, aber psychisch bestimmt. Ich habe schlicht und einfach vergessen, Sport zu machen.
Ich bin Mitglied in einem Fitness-Studio und zahlte die vergangenen zwölf Monate meinen Mitgliedsbeitrag, ohne überhaupt hinzugehen. Schlau, nicht wahr!? Im Gegensatz zu den Zehntausenden Muckibudenmitgliedern, denen es genauso geht, bekämpfe ich den inneren Schweinehund mit einer mentalen 44er Magnum, aber das Biest ist zäh. Ein Großteil meines Trainings besteht daraus, zusammen mit meiner Frau Fitness-Funktionskleidung bei Tchibo auszusuchen, und der andere Teil besteht aus Überwindung und Selbstmotivation. Auf mein Gewicht und mein Körpergefühl hat es bisher leider keine Auswirkung.
Ich stehe zu Hause, packe mein Zeug – ich würde lieber auf der Couch liegen – ich versuche, das Gefühl zu visualisieren, das ich nach dem Sport habe. Ich überwinde mich. Ich betrete das Studio, man begrüßt mich mit Handschlag – erkundigt sich nach den letzten Monaten und wir diskutieren in Sekundenbruchteilen die Lage der Nation. Ich ziehe mich um, fühle mich sportlich und steige auf das Laufband, fühle mich fit, großartig und denke, dass ich doch eigentlich noch ganz gut in Schuss bin. Leider hält dieses Glücksgefühl kürzer an als der längste Orgasmus, den ich je hatte, dann schlägt die Realität einen abscheulichen Haken auf meine Leber und raubt mir die Luft zum Atmen. Life is a bitch! Die Zeit auf so einem Laufband hat die Angewohnheit, sich Zeit zu lassen. Die zehn Minuten Aufwärmphase ziehen sich wie eine Folge Großstadtrevier. Richtig demütigend wird es, wenn man dann zum ersten Mal wieder an die Gewichte geht. So muss sich Superman auf Kryptonit fühlen. Wenn die Muskeln Trauer tragen ... mein Körper weint, jede einzelne Faser brennt wie ein Hochofen. Hätte ich Schwarzeneggers 1980er Muskeln, würde ich mich wie ein Ganzgott fühlen. Momentan kriege ich allerdings beim Duschen die Arme zum Haare waschen nicht mehr über den Kopf. Ich bin nicht Generation X, ich bin Degeneration JETZT.
Die Weihnachtszeit steht vor der Tür. Draußen ist es dunkel und kalt, die Menschen schmiegen sich an die Heizung und es wird wieder gebacken. Neue Castoren für mein Wendland. Ich habe das Gefühl, mein Leben besteht aus Ausnahmen. Dieses typische „Ach komm, nur heute!“ oder „Das hab' ich mir verdient!“ und so weiter. Alles, was man sich selbst eben so sagt, um seine Undiszipliniertheit vor sich selbst zu rechtfertigen. Unsere Leben sind auf Selbstbetrug gebaut, und genau wie Venedig laufen wir Gefahr, mit der nächsten Flut verschluckt zu werden.
Es bleiben ja noch die guten Vorsätze für das nächste Jahr, aber bis dahin heißt es Zähne zusammenbeißen und nicht den Christstollen dazwischen kommen lassen. Vielleicht auch mal keine Cola zum Frühstück und Finger weg vom Frittenfett. Sport ist kein Angstgegner, und man muss auch nicht unbedingt einen Fitness-Tempel besuchen, um seinem Körper ein wenig Bewegung anzutun. Ich bin mir sicher, er wird es uns danken, denn nicht jeder von uns ist resistent gegen Umweltgifte wie Helmut Schmidt.
Ich verbleibe mit den Worten Xavier Naidoos: „Dieser Weg wird kein leichter sein!“. Sollte es dennoch alles schiefgehen, trete ich persönlich dafür ein, ein neues Schönheitsideal zu etablieren. Germanys next Top-Moppel.
Ich fahr jetzt mal ins Level-Up. Ach ja, ich wüsste gerne eure guten Vorsätze für 2011 – schickt mir doch mal eine Mail an spax@spax-hiphop.de. Ich freu mich.

Dienstag, 16. November 2010

Professor Simon Wright

Das Gehirn ist ein wahres Wunderwerk – also, bei den meisten Leuten, die ich kenne zumindest. Allerdings kenne ich so einige Kandidaten, bei denen ist das Gehirn eher eine ABM-Maßnahme für fleißige Trümmerfrauen. Ich kenne Leute, bei denen sollte mal eine auf das Hirn spezialisierte Tine Wittler vorbeischauen, um das Broca-Areal neu zu dekorieren, ein bisschen die Zellen rücken, ein, zwei Synapsen neu verdrahten, vielleicht mal die Scheitellappen neu kämmen und gerne mal Wernickes Bereich durchfegen. Was nämlich so mancher Mensch aus der Cerebral-Cortex-Hüfte schießt, lässt vermuten, er sei der direkte Nachfahre eines präkambrischen Nadelholzes.
Das Gehirn macht uns aus, also eigentlich könnte man uns fast auf das Hirn reduzieren. Gut, so eine Hirnmasse hat keinen geilen Arsch oder tolle Titten (oder statt Arsch Popo) – ist also nicht gerade der Hingucker, und selbst mit Krawatte wirken so zwei Pfund Hirnmasse unappetitlich. Zudem ist es ja so: Vieles, was das Gehirn kann, wären einfach überflüssige Features. Wozu ein Sprachzentrum, wenn man keinen Mund hat, oder wozu eine Hypophyse ohne endokrines System. Das Gehirn ist eine Schaltzentrale, relativ spartanisch eingerichtet, aber dennoch hocheffizient. Es funktioniert 24 Stunden, 363 Tage des Jahres (ausgenommen Silvester und Oktoberfest) – und das durchschnittlich 75 Jahre lang. Das Gehirn ist in Sachen Leistung, Wartung und Tuning der Mercedes Benz unter den Evolutionserfindungen. Wir können also stolz sein, auf unser – ich sag jetzt mal – Lieblingsorgan.
Uns Menschen hat Gott ja – im Normalfall – reichlich beschenkt mit Windungen und grauen Zellen, wobei ich mich des Öfteren frage, ob uns das eigentlich so viel bringt. Wir sehen uns gerne als die Krone der Schöpfung, sind stolz auf unsere Errungenschaften und werden nicht müde, es immer und immer wieder in die Welt zu posaunen – wie ich es ja anfangs bereits getan habe. Doch egal wie sehr wir es uns auch einreden, es abfeiern und demnächst vielleicht sogar einen Feiertag für unser grandioses Gehirn einrichten, unsere Handlungen sind nicht immer von Intelligenz und Logik geprägt. Beispiel Rauchen: Ein Tier würde instinktiv die Zigarette fallen lassen, weil sein Körper ihm durch Würgen und Husten signalisiert – DAS IST NICHT GUT DICH! Der so hoch entwickelte Mensch schafft es dann, per Macht seiner Gedanken alle Firewalls (witzig, ’ne – also wegen Feuer und so …) seines Körpers zu umgehen und denkt sich: noch drei bis vier Züge, dann schmeckt es, wohl wissend, dass Rauchen NICHT gut für ihn ist. Anderes Beispiel: Es gibt Menschen, die hören auf Seehofer oder Sarrazin, obwohl sie wissen, dass so mancher Bereich derer Gehirne offensichtlich an die Inneneinrichtung des Führerbunkers erinnert.
Also, was ist so toll an unserem überlegenen Gehirn? Es macht durchschnittlich zwei Prozent der Körpermasse aus. Es verarbeitet mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100 Millionen Bits Informationen – oder um in unserer Sprache zu sprechen: es downloaded mit mehrfacher DSL-Geschwindigkeit Informationen und Eindrücke, die wir durch unsere Sinne googlen. Im Gehirn selbst werden dann diese Daten in unser hirneigenes Brainbook geladen (Freunde kommen, Freunde gehen) oder laufen Schleife in unserem BrainTube.
Die Faszination Gehirn – unser tragbares Weltall, unsere portable Tiefsee, unser Wireless-MacBrain – ist, wie man sieht, nicht unbegründet. In den RICHTIGEN Köpfen kann das schon richtig viel. Unterm Strich ist es ein wunderbares Werkzeug, um fantastische Ideen zu entwickeln und unsere Gesellschaft zu bereichern. Was der Einzelne daraus macht, ist eine andere Sache. Bildung und Ausbildung sind die wesentlichen Wege, unser Gehirn zu trainieren und fit zu machen. Damit wir irgendwann nach der Pubertät mehr hinkriegen als Sangria-Tetrapaks aufzuschrauben und einhändig Joints zu drehen. Das Gehirn braucht Input – Futter, aber auch genügend Zeit zum Verarbeiten. Dauerfernsehen ersetzt kein Buch und SMS schreiben kein persönliches Telefonat. Wer sich weiterentwickeln will, sollte nicht wie ein menschlicher Quastenflosser auf der Couch vor sich hinevolutionieren, sondern das Schicksal in seine eigenen Rezeptoren nehmen.