Montag, 7. März 2011

"Good morning Vietnam"

Aus gegebenem Anlass, hier etwas früher als gewohnt, da die Print-Ausgabe des Stadtkind erst seit ca. einer Woche erhältlich ist. Man möge es mir nachsehen, aber diese Leinehertz-Sache...tstststs....aber genug der Vorworte, LOS GEHT'S.......

Es war einmal...
Früher habe ich mit meinem Radio-Kassettenrekorder samstags immer die Charts gehört und die schönsten Lieder aufgenommen. Das ist lange her. Kassetten sind die Quastenflosser der Audiotechnik – irgendwo gibt es noch welche, aber so richtig was anfangen kann keiner was damit. Diese Technik hat sich überlebt und eignet sich nur noch, um sich an „die guten, alten Zeiten“ zu erinnern. An die Vergänglichkeit und an die Zeit, in der man sich nicht alles sofort beschaffen konnte – ich nenne sie mal „die Zeit der Nicht-Sofortigkeit“.
Dann kam die Pubertät – Sturm und Drang, vor allem aber der Wunsch nach Individualität und Selbstbestimmung. Ich wollte entscheiden, was ich esse, tue und höre. Irgendwie war mir die Konformität nicht grade in die Wiege gelegt worden – trugen alle Pullunder, trug ich eine Motorradlederjacke, und jemand mit Lederjacke und Adidas Allround hört keine Charts! Denn was sind die Charts? Die Charts sind ein Spiegel des Massengeschmacks, etwas, worauf sich viele Menschen geeinigt haben, ohne Ecken und Kanten, oftmals auch ohne Leben – etwas, dass viele Menschen konsumieren. Als ich anfing, Rap-Musik zu hören, da gab es das nicht im Radio – bis auf einige wenige Ausnahmen.
In meiner Erinnerung dominierten in den 80er-Jahren die 80er-Jahre-Sounds und in den 90ern auch und jetzt irgendwie immer noch. Um es auf den Punkt zu bringen, das Radioprogramm ist seit 30 Jahren Chris de Burgh, Cindy Lauper und Duran Duran. Visionär kann man das nicht grade nennen. Ein „Radio-aktiver“ Murmeltiertag – nur ohne Bill Murray und ohne Murmeltier. Same same – but different!?
Ich musste also zwangsläufig gegen das Radio sein, denn das Radio war in meinen Augen faschistoid, es war ignorant. Wo waren Paris, Big Daddy Kane oder N.W.A.? Wo waren meine Helden? Man spielte meine Musik nicht mal in homöopathischen Dosen, man verweigerte sich. Ich wünschte mir, damals, es gäbe den „Piratensender Powerplay“ wirklich – Thomas Gottschalk und Mike Krüger 1981. Sie spielten, was kein anderer spielte.
Zurück in die Gegenwart...
Vielleicht liegt meine Aversion gegen das Radio darin, dass ich ein ähnliches „Problem“ wie Public Enemy hatte: „...Radio Suckas never play me!“ Das rappten sie und trafen damit den Nagel auf den Kopf. Warum sollte ich Radio hören, wenn nichts gespielt wurde, was ich hören wollte. Warum gab mir das Radio nichts zu entdecken? Früher gab es Redakteure – meiner Meinung nach bestand eine ihrer Aufgaben darin zu „diggen“ – also zu graben wie ein Goldgräber und Nuggets zu finden. Mittlerweile sind diese Leute Recycler geworden, oder besser: Bewahrer. Bewahrer von ihren quotenabhängigen Jobs mit Wohlstandsbauch und ohne Hunger. Mutlos, langweilig und überflüssig.
Bürgerfunk hatte für mich immer etwas von Audio-B-Movie. Da machen Leute in ihrer Freizeit eine Sendung und spielen ihre Lieblingsmusik – von Bibelpop bis Bauchtanzmusik. Amateur-Amateure, überambitioniert und dabei völlig talentfrei. So dachte ich. Bis ich eines Tages Kontakt mit so einem Bürgerfunk hatte. Freunde hatten eine eigene Sendung bei Radio Flora – man spielte Rap-Musik, und man konnte anrufen und live im Radio rappen. DAS war Subkultur ohne Anspruch auf Massenakzeptanz: „for us – by us“. Unprofessionell, aber dafür voll auf die Fresse. Diese Sendung änderte meine Meinung zu diesem Thema grundlegend. Irgendwann wurde aus „Raider“ „Twix“ und aus Radio Flora Leinehertz.
Bis vor ein paar Wochen konnte ich uneingeschränkt Leinehertz hören und mich freuen. Mal Hamburger Schule, mal lokale Bands wie Tanner oder Sustar – ich hörte das sympathisch gebrochene Deutsch eines Russen, kongolesische Heimatmusik, auch tolle unbekannte orientalische Klänge. DAS nenne ich diggen. Gut, einige sind Amateure – so wie auch ich einer wäre, wenn ich beim Lokalradio eine Sendung machen würde –, aber sie sind Idealisten. Ich glaube, das unterscheidet so einen Sender von den kommerziellen Anstalten.
Doch dann geschah etwas, eine Art 11.September des Bürgerfunks, ein musikalisch terroristischer Anschlag – Leinehertz verwandelte sich. Es war fast wie bei „Face off“ mit Cage und Travolta, die ihre Gesichter tauschen, nur das in unserem Fall Radio Leinehertz nicht getauscht hat, sondern sein Gesicht verlor. Alles, was diesen Sender ausgemacht hatte, verschwand scheinbar über Nacht. Das einzige, was uns blieb, sind die Station IDs, die uns im Sekundentakt daran erinnern, welchen Sender wir grade hören. Die Frage ist doch, warum muss man uns so oft daran erinnern? Vielleicht liegt die Antwort in der Austauschbarkeit des Programms. Es fehlt die geliebte Individualität. Leinehertz hören heißt in diesen Tagen, eine nordkoreanische Militärparade hören – Gleichschaltung und Konformität. Und ihr wisst, was ich von Konformität halte! Fight for your right!

P.S.: Ich hatte noch diesen tollen Satz, der leider nicht in die Kolumne passte: „Video killed the radio star“ – Quote killed mutige Redaktion, und Internet killed it all!  

Dienstag, 22. Februar 2011

Gekko

Ich hab mich letztens mal in meinem Freundeskreis umgehört, und die eindeutige Meinung lautet: Geiz ist NICHT geil, aber Geld zu haben finden alle im Allgemeinen ganz gut. Ein Großteil der Leute meinte aber auch, dass die Ausgaben zu oft überproportional zu den Einnahmen stehen; das wiederum findet die Bank nicht gut - STOP! Das stimmt ja so nicht – die Bank verdient ja an unseren Schuldenm, und das ist ja das Paradoxe an unserem System. Verschwörungstheoretiker würden behaupten, dass die Kreditkarte deshalb erfunden wurde, weil man damit besser den Überblick verliert. Die Kreditkarte wird ja nicht weniger – also die Karte an sich, und man behält sie. Das Blöde ist, dass man nicht nur die Karte behält – die Schulden behält man ja auch.
Der Weltwirtschaft gefällt es, wenn wir viel Geld ausgeben. Deshalb sagt man auch „Geiz ist geil“ und nicht „Sparen ist geil“ oder „Geld in die Matratze ist geil“. Darauf baut im Endeffekt alles auf. Irgendwer produziert, ein anderer kauft. Wenn also nicht gekauft wird, dann muss auch keiner produzieren. Wenn keiner produziert, dann stehen die Maschinen still, und man geht spazieren oder guckt „die Auswanderer“. Man ist arbeitslos. Das nennt man dann Weltwirtschaftskrise. Arbeitslosigkeit finden auch alle nicht gut, und deshalb gibt der Staat einigen Leuten Geld oder gerne auch Jobs und Maßnahmen, für die sie dann Geld bekommen, das sie dann wiederum ausgeben für Sachen aus dem Teleshop aus China, womit dann die Chinesen ihre Staatsrücklagen von 2,5 Billionen noch erhöhen und mehr Chinesen Arbeit haben, und wo das alles hinführt, weiß ich auch nicht.
Ich habe letztens gelesen, dass der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler bezweifelt, dass die deutschen Goldreserven, die in den Vereinigten Staaten lagern, physisch wirklich existieren. Ich meine, wir reden nicht davon, dass Deutschland seine Milliarden an Staatsvermögen auf einer Volksbankchipkarte gespeichert hat und die dann irgendwo einschließen lässt, sondern von tonnenweise Goldbarren. Selbst bei den Goldpreisen passt das nicht in Omas Sparstrumpf. Mal unter uns, tausend Tonnen Gold sind nicht grade die Nadel im Heuhaufen, oder!? Goldleaks? War vielleicht „Stirb langsam – Jetzt erst recht“ eine Dokumentation und keine Fiktion? Sind „unsere“ Goldbarren mit Kippladern aus den Kellern der Federal Reserve Bank gestohlen worden, und Bruce Willis schwitzte – was „unseren“ Guido sehr erregte – sein Unterhemd für sein Geburtsland voll?
Unterm Strich könnte es mir egal sein, aber ich möchte keine Inflation wie 1929. Da war das Geld so wenig wert, da musste man mit einem Siebeneinhalbtonner zum Kiosk fahren, um sich eine Schachtel Kippen zu kaufen. Für weniger muskulöse Menschen war ein Einkauf relativ unmöglich. Die Kapitulation vor dem Kapital – ein schreckliches Kapitel voller kapitaler Fehler unserer Kapitäne. Ich weiß, der Satz ist nicht besonders aussagekräftig, aber ich finde ihn trotzdem gelungen.
Ich selbst finde es immer schrecklich, kein Geld zu haben. Selbst wenn ich eine Kreditkarte dabei habe fühle ich mich nackt. Ich bin von der alten Schule und trage lieber einen Beutel Sesterzen durch die Gegend, als der Kombination Magnetstreifen-Internet/-Telefonleitung zu vertrauen. Digitales Zeitalter hin oder her, meine Maxime sind die zwei M – echte Menschen, echte Münzen. Deshalb tue ich mich auch so schwer, Geld anzulegen. Sagen wir mal so, könnte ich mein Geld auf einem Feld vergraben, und ich müsste es hegen und pflegen, müsste die Heuschreckenschwärme vertreiben und gegen die Pleitegeier Vogelscheuchen aufstellen, könnte ich ihm beim Wachsen zusehen, dann wäre es mir lieber, als es in einem Fonds anzulegen, der neben Firmen für Futtermittel vielleicht sogar Waffenhersteller beinhaltet. Viele klammern sie vielleicht aus, aber Moral ist für mich eine wichtige Sache, auch beim Geldverdienen.
Da fällt mir ein, dass ich im Radio hörte, dass ein Kirchlicher Fonds gerügt wurde, er würde für seine Kunden Renditen unter anderem aus Waffengeschäften und Alkohol gewinnen. Wertpapiere von Firmen, die in eher unchristlichen Segmenten tätig sind, seien Teil ihrer Fonds. Den kirchlichen Fonds wurde deshalb nahegelegt aus Gründen der Ethik von derlei Investitionen Abstand zu nehmen, da sie aus Sicht der Kirche nicht vertretbar seien. Die Antwort des Fondsverwalters zu diesem Thema war – aufs Wesentliche heruntergebrochen –, es gebe keinerlei Diskrepanz zu christlichen Werten. So viel zum Thema Nächstenliebe, Moral und Profit.
Aus den Aufklebern, die in den Achtzigern populär waren, haben wir nichts gelernt. Ich glaube sogar, der Herr Gordon Gekko würde die Cree-Weißsagung umformulieren in:
„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld essen kann.‘‘ Schmeckt nur scheiße – aber egal!
Ich für meinen Teil befeuere die Wirtschaft, investiere in Sneakers und DVD-Boxen, und wenn allen anderen irgendwann der finanzielle Himmel auf den Kopf fällt, dann sehe ich verdammt gut beschuht aus in meiner eigenen Videothek, in der ich dann Filme im Tausch für Lebensmittel anbiete.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Singapur pur - ein Reisebericht

Reisen bildet. Ich weiß jetzt zum Beispiel, dass Orang-Utan „Mann des Waldes“ heißt. Nicht dass mich das in meinem Leben weiterbringt, außer ich werde mal zu Jauch eingeladen, aber ich mag so ein Jeopardy-Wissen. Ich habe auch erfahren, dass Singapur eine durchschnittliche Temperatur von circa 31 Grad hat und dieser Stadtstaat zu 120 Prozent aus Shopping Malls besteht. Mich würde nicht wundern, wenn sie Singapur bald komplett überdachen. Die gefühlte Luftfeuchigkeit ist so türkisches Dampfbad mit einem bisschen Waschstraßenatmosphäre.
Was man von Singapur gehört hat ist, dass man für so ziemlich alles, was man tun kann, bestraft wird – drakonische Strafen wohlgemerkt. Da gab es diesen Schweizer Grafittimaler, der für den Einbruch in einen Yard ins Gefängnis musste und zudem noch ein paar Stockhiebe auf den Arsch bekam. Man mag wohl kein illegales Grafitti in Singapur.
Changi, der Flughafen Singapurs, ist schön. Sehr aufgeräumt. Es gibt sogar einen Nike-Store, was uns gleich richtig auf unseren Aufenthalt eingestimmt hat.
Die Fahrt vom Flughafen weg war wenig spektakulär. Man fährt hier links, hat aber das Lenkrad rechts. Verkehrsregeln sind dadurch echt spannend – eine spiegelverkehrte Folge Quiz-Taxi. Und man gibt übrigens kein Trinkgeld, irgendwie ungewohnt. Es gibt auch verschiedene Taxen und Taxi-Tarife und Zeiten, zu denen sich die Tarife ändern; je nachdem wo man sich befindet. Ich glaube, man kann hier eine Ausbildung zum Fahrgast machen. Busse sind keine Alternative – die Fahrpläne sind Rocket Science.
Singapur ist das Land mit den zwei Klimazonen, drinnen und draußen. Wie eingangs erwähnt sind es draußen 28 bis 31 Grad, während man drinnen nicht so kleinlich um zwei, sondern eher um mindestens zehn Grad runterkühlt. Die Konsequenz ist, dass wenn man leicht angeschwitzt von draußen eine klimatisierte Mall betritt, man kurz mal schockgefrostet wird. Ökologisch fragwürdig ist auch, dass zum Teil einfach draußen klimatisiert wird.
Geld schwingt hier das Zepter – Geld ist das dünnflüssige Blut der vierspurigen Venen dieser Handelstadt. Irgendwie kann man in Singapur nichts anderes machen als Geld auszugeben. Jeder kennt das alte Indianerzitat: „Erst wenn der letzte Baum gerodet usw., dann werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann!“ Die Singapuris schreiben wahrscheinlich mit einem Lackstift „Aber man kann sich davon was zu essen kaufen!“ drunter. Rückblickend betrachtet haben auch wir das gemacht – also Geld ausgegeben. Mall-hopping, entweder mit dem Taxi vor die Tür oder unter der Stadt durch verschiedene Verbindungstunnel von einer in die nächste. Kommerzieller Overload! Interessant ist allerdings, dass überall das Gleiche feilgeboten wird –und ich würde das „überall“ gerne noch unterstreichen. Gut, wir waren auf der Suche nach Sneakers, und da gab es ein paar spezielle Geschäfte, aber im Gros unterschied sich die Auswahl nicht sonderlich. In einer Mall, der Queensway-Mall, reihte sich Sneaker Store an Sneaker Store, lustigerweise gingen allerdings ALLE in dasselbe Lager. Verschiedene Geschäfte – ein Besitzer. So viel zum Thema „Konkurrenz belebt das Geschäft“. Schach mit sich selber spielen ist spannender. Unbefriedigend.
Neben den Singapuris bevölkern unfassbar viele Expats das Mini-Land. Das sind Menschen, die in SG arbeiten und die eine Art Parallelgesellschaft bilden.Sie leben in Kondos, fahren Prestigetaxen oder haben Fahrer und halten sich zu 99,9 Prozent in klimatisierten Räumen auf. Ich sage das übrigens völlig wertfrei. Wir selbst hatten das Glück, bei Freunden, die als Expats dort sind, für eine Nacht unterzukommen. Abgesehen davon, dass es uns Geld gespart hat, weil wir kein teures Hotel bezahlen mussten, war es einfach super, jemanden zu haben, der uns willkommen hieß und mit den Geflogenheiten vertraut machte – mal abgesehen davon, dass wir uns ewig nicht gesehen hatten. Kondos sind übrigens Wohnanlagen für Besserverdienende. So mit Pool, BBQ-Pit und so.
Essen ist ein Traum in Singapur. Hier gibt es alles – von Sushi über Brotzeit (bayerisch) bis vietnamesisch. Abseits von den Touristenrestaurants isst man besser und billiger in sogenannten Food Courts. Das sind überdachte, schulhofähnliche Plätze, auf denen feste Tisch-/Hocker-Kombinationen installiert sind, die von verschiedenen obskuren Garküchen umzingelt werden. Das ganze wirkt wenig vertrauenserweckend, aber man ist ja kein Feigling. Abgesehen von Geschmack und Sättigungswert ist es auch preislich eher Aldi, also bezahlbare Qualität. Neues Lieblingsgetränk ist Avocadosaft, neues Lieblingsessen Aal in Terriakisoße. Chinesisches Essen ist immer noch gewöhnungsbedürftig. Zu viel Glibber und Schleim. „I don't hate – but me don't like!“ Zu empfehlen sind noch die frischen Kokosnussdrinks, die einem auf der Straße angeboten werden.
Wenn man keine Lust mehr auf Beton-und Konsumdschungel hat, kann man versuchen, im Kapitalismusdickicht den anderen Teil Singapurs zu entdecken. Angefangen bei Stadtvierteln wie Little India oder China Town, bis hin zum Fort Canning Parc. In Letzterem waren wir übrigens zu später Stunde und wurden dort von Bullfrogs überrascht, die unfassbar laut – kuhgleich – in die Nacht quakten. Mehr innerstädtische, heimische Fauna findet man eigentlich nicht. Weil wir aber so Löwenzahn-/Sendung-mit-der-Maus-Kinder sind, mussten wir unbedingt raus zum Zoo. Für alle, die ein grundsätzliches Zooproblem haben, ist es natürlich nichts, aber für alle anderen ist er wirklich toll. Alles ist grün, tropisch und idyllisch. Der Zoo liegt auf einer Art Halbinsel, was den Planern die Möglichkeit gab, Bootstouren rund um das Gelände anzubieten. Dagegen ist die muckelige Fahrt im Hannover-Zoo leider eine Fahrt auf einem Feldweg mit einem Trabant. Die Nasenaffen waren beeindruckend, genau wie die weißen Tiger – die übrigens filmreif für uns im Wasser lagen – und die Orang-Utans. Die Anakonda war mächtig lang und dick, während die giftgrüne Königskobra keine Anstalten machte, ihren Hals zu blähen. Wahrscheinlich hatten schon zu viele dicke, dumme Kinder an ihre Scheibe geklopft, als dass sie sich davon noch provozieren ließ. Diese Kobra hat aufgegeben. Leider! Still wünschte ich mir kurz, als wieder ein Kind diabolisch gegen die Scheibe hämmerte, die Kobra würde ...
In einem Freigehege waren wir umgeben von riesigen Schmetterlingen, von Mini-Rehen, Lemuren und Flughunden. Alles um uns herum auf Tuchfühlung. Leider waren wir zu groggy für den Nachtzoo oder den Orchideengarten.
Zum Strand haben wir es nicht geschafft. Nur einer unserer Jungs ist am Sonntag noch mal dorthin und erzählte uns, es wäre wie eine MTV-Beach-Party abgelaufen. Unser Expat-Freund aus Deutschland sagte uns, dass ein Strandtag am Sentosa Beach wie ein Picknick an der Autobahn sei. Singapur hat einen riesigen Hafen, und mächtig viele Schiffe fahren tagein, tagaus da rein, da raus. Der Sand – so wurde mir gesagt – ist aus Australien importiert. Seltsame Vorstellung, dass Sand von einem Kontinent auf den anderen gebracht wird, aber offensichtlich besteht Bedarf. Wer bin ich, dass ich unser Weltwirtschaftssystem infrage stellen könnte?
Auffallend war, dass viele Singapuris KEINE asiatischen Namen mehr haben. Der Concierge in unserem Hotel hieß Dennis, die Bedienung beim Japaner Erica, und unser Produktionsleiter hieß Felix – alle allerdings mit asiatischem Aussehen. Singapuris sagen übrigens statt ja „can“ und statt nein „can not“. Warum? Ich habe keine Ahnung, aber wer bin ich, kulturelle Geflogenheiten infrage zu stellen. Was zählt ist, es läuft alles.
Wir sind mittlerweile wieder da, Hände noch dran, keine Streifen auf dem Arsch und auch sonst alles gut. Deutschland versank derweil im Schneechaos. Meine in Singapur mühsam gekauften Sneakers sind wohl noch auf dem Weg nach Hamburg und werden mir wahrscheinlich hoffentlich die nächsten Tage nach Hannover geliefert. Wir selbst fuhren mal wieder Bahn und erreichten unsere Heimatstädte mindestens vier Stunden später als geplant. Im Flieger hatten wir aus uns unbekannten Gründen die wohl beschissensten Plätze der Welt bekommen, und mein Hintern, mein Rücken sowie mein Nacken fühlten sich an, als hätte uns die Russenmafia mit Nothämmern bearbeitet. Aber wer bin ich schon, darüber zu jammern, wo doch alle unter der Situation zu leiden hatten.
Und auch wenn Christian Kracht über Singapur in seinem Buch „Der gelbe Bleistift“ sinngemäß schrieb, es wäre vergleichbar mit einem Dreitagesaufenthalt in einem Shoppingcenter in Göttingen, dann hat er im Nachhinein irgendwie recht. Aber irgendwie möchte ich noch mal nach Singapur, jetzt, wo ich weiß, wo es die besten Sneakers gibt, denn dann hätte ich die Chance, mich richtig auf Singapur einzulassen. Und ich bin mir sicher, es gibt genügend Dinge, die es zu entdecken gibt. Denn wer bin ich, zu behaupten, ich hätte schon alles gesehen.

Freitag, 14. Januar 2011

Vorsätzliche Vorsätze

Gute Vorsätze sind gut, deshalb heißen sie ja auch GUTE Vorsätze. Ich glaube, schlechte Vorsätze gibt es in diesem Zusammenhang nicht, aber vielleicht kann mich jemand eines Besseren belehren. Zumindest ist mir da nichts bekannt. Punkt! Interessanterweise gibt es diese Tradition der guten Vorsätze seit Ewigkeiten um den Jahreswechsel herum. Ich hab' mich immer gefragt, warum sich erst die letzten Zahlen eines Datums ändern müssen, bevor Leute sich vornehmen, aufzuhören scheiße zu sein.
Unter Vorsatz versteht man in der Psychologie eine Absicht, in einer bestimmten Situation ein bestimmtes Verhalten auszuführen. Die meisten Leuten, die ich kenne – mich inbegriffen –, verstehen unter Vorsatz ein „Kannmanmalmachenvielleichtwennspasst“. Es ist eine Art grobes Ziel mit anvisiertem Anfangspunkt, allerdings ohne große Hoffnung, dass man es wirklich macht. Es ist so eine Art Vorsatz zum Vorsatz. Bei dieser Art des Selbstbetruges ist das Timing von entscheidender Bedeutung. Man sucht sich einen Tag für den Beginn, einen besonderen Tag, zum Beispiel Montag oder den Neujahrstag – also einen Zeitpunkt, der in sich schon für einen Neuanfang steht. Und wenn man das dann verbockt, muss man entweder eine Woche oder ein ganzes Jahr warten, um wieder einzusteigen.
Ganz oben in diesen Murmeltiertagslisten – so glaube ich – stehen bei vielen, mit dem Rauchen aufzuhören und weniger Alkohol zu trinken – also Dinge, die einem ein schlechtes Gewissen machen, weil man weiß, dass sie nicht gut für einen sind, die man aber trotzdem macht, weil man auch mal Fünfe grade sein lassen muss. Der Mensch – der Trottel.
Jedes Jahr, wenn man beim Bleigießen seinen silbrigen Klumpen mal wieder als tumorisiertes Gehirn oder metastasische Leber gedeutet hat, fängt man an, seine neuen alten Ziele zu formulieren. Reumütig blickt man in den von Silvesterraketen erleuchteten Nachthimmel und murmelt gebetsmühlenartig seine Vorsätze ins Weltall. Man schreibt sich mit krakeliger Handschrift einen kleinen Zettel oder – wenn man total modern ist – postet es direkt bei Facebook. Facebook ist in diesem Zusammenhang ganz praktisch, denn sollte die Mutter aller Social-Network-Plattformen auch nächstes Jahr noch angesagt sein, kann man seinen Vorsatzzettel ja direkt copypasten.
Ich habe mal verschiedene Zettel mit Vorsätzen angefangen – mal so meine eigenen, und dann hab ich mir noch vorgestellt, was andere wohl darauf stehen haben.

Spax: Diese Kolumne nicht immer auf den letzten Drücker schreiben – mehr vegetarisch essen – weniger Sneakers kaufen – mehr Sneakers kaufen – weniger Cola trinken – mehr Wasser trinken – öfter zu Mama und Papa – besseres Zeitmanagement – Herr der Ringe 1–3, Rocky 1–6 und Star Wars 1–6 noch mal gucken – öfter in den Zoo – mehr Fahrrad fahren – das Mobiltelefon weniger oft in der Nähe der Geschlechtsteile tragen – mehr Sushi – weniger Thunfisch – diplomatischer sein – öfter Business as usual – weniger Facebook – mehr echtes soziales Netzwerk mit Anfassen und so – öfter Arte+7 – mehr Briefe schreiben – weniger Geburtstage vergessen – mehr lLeben – einen Affen streicheln – weniger X-Box spielen – mehr GP sammeln – öfter Software-Updates machen – öfter Time-Machine-Backup machen – noch mehr lachen – Stromberg gucken – mehr Urlaub – unbedingt Keller aufräumen – Comics sortieren – öfter die Wollmäuse aufsammeln – öfter das Parkett saugen – mehr lesen – auch mal selber kochen – weniger ärgern – ein noch besseres Vorbild für alle Menschen sein – mehr Serien gucken – weniger Fernsehen – mal wieder „Wetten, dass ...“ gucken, NOT! – die Bahn öfter bescheißen – mehr um die Haare kümmern – mehr Rap hören – jeden Tag eine gute Tat tun – mehr Zeit für die Familie – Schuhe putzen – öfter durch die Eilenriede joggen – endlich mein Album fertigmachen – mehr live spielen – auf Tour gehen ... usw.
Deutsche Bahn: Sich nicht immer von den Jahreszeiten überraschen lassen – nicht nur über Service reden, sondern auch welchen haben – nicht so viele Strecken vom Netz nehmen – hübschere ZugbegleiterInnen – kostenloses W-Lan im Zug usw.
US-Diplomaten: Sich mehr Zeit für die Depeschen nehmen – diplomatischer ausdrücken – auch mal jemandem ins Gesicht sagen, dass man ihn scheiße findet.
Westerwelle: Nicht immer vergessen, die Flugmeilen aufschreiben zu lassen.
E-Plus: Kundenfreundlichkeit, Tarife, Service – sich bei Herrn Szulc entschuldigen.

… so, das war's erstmal. Ich muss jetzt gleich zum Flughafen und meine Maschine nach Deutschland kriegen. Bis zum nächsten Jahr und bis dahin alles Gute, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch in 2011 rein.