Mittwoch, 16. Februar 2011

Singapur pur - ein Reisebericht

Reisen bildet. Ich weiß jetzt zum Beispiel, dass Orang-Utan „Mann des Waldes“ heißt. Nicht dass mich das in meinem Leben weiterbringt, außer ich werde mal zu Jauch eingeladen, aber ich mag so ein Jeopardy-Wissen. Ich habe auch erfahren, dass Singapur eine durchschnittliche Temperatur von circa 31 Grad hat und dieser Stadtstaat zu 120 Prozent aus Shopping Malls besteht. Mich würde nicht wundern, wenn sie Singapur bald komplett überdachen. Die gefühlte Luftfeuchigkeit ist so türkisches Dampfbad mit einem bisschen Waschstraßenatmosphäre.
Was man von Singapur gehört hat ist, dass man für so ziemlich alles, was man tun kann, bestraft wird – drakonische Strafen wohlgemerkt. Da gab es diesen Schweizer Grafittimaler, der für den Einbruch in einen Yard ins Gefängnis musste und zudem noch ein paar Stockhiebe auf den Arsch bekam. Man mag wohl kein illegales Grafitti in Singapur.
Changi, der Flughafen Singapurs, ist schön. Sehr aufgeräumt. Es gibt sogar einen Nike-Store, was uns gleich richtig auf unseren Aufenthalt eingestimmt hat.
Die Fahrt vom Flughafen weg war wenig spektakulär. Man fährt hier links, hat aber das Lenkrad rechts. Verkehrsregeln sind dadurch echt spannend – eine spiegelverkehrte Folge Quiz-Taxi. Und man gibt übrigens kein Trinkgeld, irgendwie ungewohnt. Es gibt auch verschiedene Taxen und Taxi-Tarife und Zeiten, zu denen sich die Tarife ändern; je nachdem wo man sich befindet. Ich glaube, man kann hier eine Ausbildung zum Fahrgast machen. Busse sind keine Alternative – die Fahrpläne sind Rocket Science.
Singapur ist das Land mit den zwei Klimazonen, drinnen und draußen. Wie eingangs erwähnt sind es draußen 28 bis 31 Grad, während man drinnen nicht so kleinlich um zwei, sondern eher um mindestens zehn Grad runterkühlt. Die Konsequenz ist, dass wenn man leicht angeschwitzt von draußen eine klimatisierte Mall betritt, man kurz mal schockgefrostet wird. Ökologisch fragwürdig ist auch, dass zum Teil einfach draußen klimatisiert wird.
Geld schwingt hier das Zepter – Geld ist das dünnflüssige Blut der vierspurigen Venen dieser Handelstadt. Irgendwie kann man in Singapur nichts anderes machen als Geld auszugeben. Jeder kennt das alte Indianerzitat: „Erst wenn der letzte Baum gerodet usw., dann werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann!“ Die Singapuris schreiben wahrscheinlich mit einem Lackstift „Aber man kann sich davon was zu essen kaufen!“ drunter. Rückblickend betrachtet haben auch wir das gemacht – also Geld ausgegeben. Mall-hopping, entweder mit dem Taxi vor die Tür oder unter der Stadt durch verschiedene Verbindungstunnel von einer in die nächste. Kommerzieller Overload! Interessant ist allerdings, dass überall das Gleiche feilgeboten wird –und ich würde das „überall“ gerne noch unterstreichen. Gut, wir waren auf der Suche nach Sneakers, und da gab es ein paar spezielle Geschäfte, aber im Gros unterschied sich die Auswahl nicht sonderlich. In einer Mall, der Queensway-Mall, reihte sich Sneaker Store an Sneaker Store, lustigerweise gingen allerdings ALLE in dasselbe Lager. Verschiedene Geschäfte – ein Besitzer. So viel zum Thema „Konkurrenz belebt das Geschäft“. Schach mit sich selber spielen ist spannender. Unbefriedigend.
Neben den Singapuris bevölkern unfassbar viele Expats das Mini-Land. Das sind Menschen, die in SG arbeiten und die eine Art Parallelgesellschaft bilden.Sie leben in Kondos, fahren Prestigetaxen oder haben Fahrer und halten sich zu 99,9 Prozent in klimatisierten Räumen auf. Ich sage das übrigens völlig wertfrei. Wir selbst hatten das Glück, bei Freunden, die als Expats dort sind, für eine Nacht unterzukommen. Abgesehen davon, dass es uns Geld gespart hat, weil wir kein teures Hotel bezahlen mussten, war es einfach super, jemanden zu haben, der uns willkommen hieß und mit den Geflogenheiten vertraut machte – mal abgesehen davon, dass wir uns ewig nicht gesehen hatten. Kondos sind übrigens Wohnanlagen für Besserverdienende. So mit Pool, BBQ-Pit und so.
Essen ist ein Traum in Singapur. Hier gibt es alles – von Sushi über Brotzeit (bayerisch) bis vietnamesisch. Abseits von den Touristenrestaurants isst man besser und billiger in sogenannten Food Courts. Das sind überdachte, schulhofähnliche Plätze, auf denen feste Tisch-/Hocker-Kombinationen installiert sind, die von verschiedenen obskuren Garküchen umzingelt werden. Das ganze wirkt wenig vertrauenserweckend, aber man ist ja kein Feigling. Abgesehen von Geschmack und Sättigungswert ist es auch preislich eher Aldi, also bezahlbare Qualität. Neues Lieblingsgetränk ist Avocadosaft, neues Lieblingsessen Aal in Terriakisoße. Chinesisches Essen ist immer noch gewöhnungsbedürftig. Zu viel Glibber und Schleim. „I don't hate – but me don't like!“ Zu empfehlen sind noch die frischen Kokosnussdrinks, die einem auf der Straße angeboten werden.
Wenn man keine Lust mehr auf Beton-und Konsumdschungel hat, kann man versuchen, im Kapitalismusdickicht den anderen Teil Singapurs zu entdecken. Angefangen bei Stadtvierteln wie Little India oder China Town, bis hin zum Fort Canning Parc. In Letzterem waren wir übrigens zu später Stunde und wurden dort von Bullfrogs überrascht, die unfassbar laut – kuhgleich – in die Nacht quakten. Mehr innerstädtische, heimische Fauna findet man eigentlich nicht. Weil wir aber so Löwenzahn-/Sendung-mit-der-Maus-Kinder sind, mussten wir unbedingt raus zum Zoo. Für alle, die ein grundsätzliches Zooproblem haben, ist es natürlich nichts, aber für alle anderen ist er wirklich toll. Alles ist grün, tropisch und idyllisch. Der Zoo liegt auf einer Art Halbinsel, was den Planern die Möglichkeit gab, Bootstouren rund um das Gelände anzubieten. Dagegen ist die muckelige Fahrt im Hannover-Zoo leider eine Fahrt auf einem Feldweg mit einem Trabant. Die Nasenaffen waren beeindruckend, genau wie die weißen Tiger – die übrigens filmreif für uns im Wasser lagen – und die Orang-Utans. Die Anakonda war mächtig lang und dick, während die giftgrüne Königskobra keine Anstalten machte, ihren Hals zu blähen. Wahrscheinlich hatten schon zu viele dicke, dumme Kinder an ihre Scheibe geklopft, als dass sie sich davon noch provozieren ließ. Diese Kobra hat aufgegeben. Leider! Still wünschte ich mir kurz, als wieder ein Kind diabolisch gegen die Scheibe hämmerte, die Kobra würde ...
In einem Freigehege waren wir umgeben von riesigen Schmetterlingen, von Mini-Rehen, Lemuren und Flughunden. Alles um uns herum auf Tuchfühlung. Leider waren wir zu groggy für den Nachtzoo oder den Orchideengarten.
Zum Strand haben wir es nicht geschafft. Nur einer unserer Jungs ist am Sonntag noch mal dorthin und erzählte uns, es wäre wie eine MTV-Beach-Party abgelaufen. Unser Expat-Freund aus Deutschland sagte uns, dass ein Strandtag am Sentosa Beach wie ein Picknick an der Autobahn sei. Singapur hat einen riesigen Hafen, und mächtig viele Schiffe fahren tagein, tagaus da rein, da raus. Der Sand – so wurde mir gesagt – ist aus Australien importiert. Seltsame Vorstellung, dass Sand von einem Kontinent auf den anderen gebracht wird, aber offensichtlich besteht Bedarf. Wer bin ich, dass ich unser Weltwirtschaftssystem infrage stellen könnte?
Auffallend war, dass viele Singapuris KEINE asiatischen Namen mehr haben. Der Concierge in unserem Hotel hieß Dennis, die Bedienung beim Japaner Erica, und unser Produktionsleiter hieß Felix – alle allerdings mit asiatischem Aussehen. Singapuris sagen übrigens statt ja „can“ und statt nein „can not“. Warum? Ich habe keine Ahnung, aber wer bin ich, kulturelle Geflogenheiten infrage zu stellen. Was zählt ist, es läuft alles.
Wir sind mittlerweile wieder da, Hände noch dran, keine Streifen auf dem Arsch und auch sonst alles gut. Deutschland versank derweil im Schneechaos. Meine in Singapur mühsam gekauften Sneakers sind wohl noch auf dem Weg nach Hamburg und werden mir wahrscheinlich hoffentlich die nächsten Tage nach Hannover geliefert. Wir selbst fuhren mal wieder Bahn und erreichten unsere Heimatstädte mindestens vier Stunden später als geplant. Im Flieger hatten wir aus uns unbekannten Gründen die wohl beschissensten Plätze der Welt bekommen, und mein Hintern, mein Rücken sowie mein Nacken fühlten sich an, als hätte uns die Russenmafia mit Nothämmern bearbeitet. Aber wer bin ich schon, darüber zu jammern, wo doch alle unter der Situation zu leiden hatten.
Und auch wenn Christian Kracht über Singapur in seinem Buch „Der gelbe Bleistift“ sinngemäß schrieb, es wäre vergleichbar mit einem Dreitagesaufenthalt in einem Shoppingcenter in Göttingen, dann hat er im Nachhinein irgendwie recht. Aber irgendwie möchte ich noch mal nach Singapur, jetzt, wo ich weiß, wo es die besten Sneakers gibt, denn dann hätte ich die Chance, mich richtig auf Singapur einzulassen. Und ich bin mir sicher, es gibt genügend Dinge, die es zu entdecken gibt. Denn wer bin ich, zu behaupten, ich hätte schon alles gesehen.

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