Mittwoch, 1. September 2010

China in your Hand

Man weiß nicht viel über den Chinesen und eigentlich auch nicht viel über die Asiaten an sich. Gut, alte Kultur, Schießpulver, Schrift und Weisheiten. Man kennt die Klischees – Hunde und andere Kleintiere essen, alles von der Ente, Produktpiraterie und Nachschub für Perückenbauer und Dr. von Hagens Körperwelten. Meine Erste Begegnung mit China hatte ich 1982 als die ARD "Die Rebellen vom Lian Shan Po" ausstrahlte. Ich wurde sofort ein Fan der fernöstlichen Kampfkunst. Für mich waren damals China, Japan, Korea und Taiwan irgendwie alles das gleiche. Heute sage ich: Asche auf mein Haupt.

Ich fliege mit einer chinesischen Airline nach Shanghai. Ein tolles Flugzeug, neu, genauso gepflegt wie sein nettes Personal. Einziges Manko bei dem zehnstündigen Flug ist die Filmauswahl des Bordkinos. Von Auswahl sprechen heißt in dem Falle: Es gibt EIN Programm. Einen dreistündigen Bollywood-Movie mit viel Gesinge und Getanze. Offenbar haben die Chinesen eine Affinität zu derartig klebrig-süßer Kinokunst.

Der Chinese scheint eine weitere Vorliebe zu haben: Mit seiner immer größer werdenden Bedeutung für die Welt, wächst auch der Wunsch nach Superlative – Sie erinnern sich doch sicher auch noch an die Amerikaner früher. Für manche erschreckend, für mich erfrischend, denn der Shanghai Besucher fährt mit dem Transrapid aka. "Dem Maklev" mit 431 km/h Spitze in die Stadt. Dort fährt man mit dem Taxi weiter, während ein Großteil der Shanghai-Chinesen Roller fährt. Taxi fahren ist ein Abendteuer. Ich tendiere fast dazu zu sagen, dass der durchschnittliche Taxifahrer in Shanghai seinen Führerschein in einem Glückskeks findet, oder durch Vererbung direkt in die Wiege gelegt bekommt. Es würde mich kaum wundern, wenn das chinesische Wort für "Verkehr" Krieg wäre.
Die Shanghai-Chinesen bauen leidenschaftlich gerne in die Höhe. Wir wohnen im siebzehnten Stock – mit Balkon und vor allem OHNE jegliches Sicherheitssytem, das jegliche suizidalen Tendenzen im Keim ersticken könnte. In New York gehen die Fenster auf Kipp und Balkone gibt es in der Höhe eher kaum, hier geht man raus, springt, klatscht auf und ist fortan nur noch die verblassende Geschichte einer roten Asphalttätowierung.
Wer nicht springen will geht nach einem langen Flug erstmal essen. Und jetzt kommt für jeden gut ausgebildeten Hypochonder die Angst ins Spiel. Andere Länder, andere Sitten – und ganz ganz andere Rezepte. Mein persönliches Horrorszenario. Meine Gastgeber wollten mir irgendein obskures Gericht mit Entenblut andrehen. Geronnenes Entenblut, selbst wenn es von der Konsistenz an Eierstich erinnert, ist und bleibt Entenblut und somit für mich als Niedersachsen von meinem Speiseplan verbannt. Das ist mir ein bisschen zu viel Völkerverständigung.
Die Chinesen sind fleißig und sie können unfassbar gut kopieren. Ein Besuch auf einem sogenannten "Fake-Market" zeigt die wahre Bandbreite ihres Könnes. Abgesehen davon, dass ich ähnlich Atembeschwerden bekomme wie in einem Kick-Laden, ziehen hier nicht nur Eyjafjallajökull-Aschewolkeartige Schwaden an Pestiziden durch die Luft, sondern auch der verführerische Duft von Geschäft und Feilscherei. Grundsätzlich gilt: zwei Drittel Nachlaß vom geforderten Preises sind immer drin. Aber: Dinge, die in Hinterzimmern verkauft werden, sind wahrscheinlich NICHT echt – Dinge die nach Gift riechen SIND giftig und ein iPhone für 70€ kann Dinge wie ein iPhone für 300€ - etwas weniger lang und nicht immer mit dem gewünschten Ergebnis.

Trotzdem habe ich mich sicher gefühlt in China. Überall stehen Polizisten, die lustige kleine Helme wie in den alten Godzilla Filmen tragen oder aussehen, wie das Bodenpersonal in alten James Bond Filmen. Die Schäferhunde wirken neben den kleinen Kerlen wie Lamas. Prinzipiell sind alle freundlich und ich glaube nicht, dass das auf Anordnung der Partei so ist.
Shanghai ist für mich das New York Asiens und unglaublich spannend. Selten hatte ich Lust, einfach mit dem iPod im Ohr durch die Straßen zu ziehen, um alles in mich aufzusaugen. Selten war ich satt und erfüllt von dem was ich gesehen habe. Shanghai ist Kontrast pur und somit eine ehrliche Haut. Es ist genau soviel China, wie ein Europäer bei seiner Ersten Asien-Reise vertragen kann. Zahllose Kentucky-Fried-Chicken-Filialen heißen einen „jesus-esk“ willkommen und lassen damit die Ernährung weniger gefährlich erscheinen. Entenblut – alles gut! Ni Hau!

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