„HipHop started
out in the Parc…when the Days got dark…got me reminiscing back…!”
(Smif-N-Wessun)
Mit HipHop verhält es sich wie mit den
Weltreligionen: Die Ideen, die moralischen Grundsätze sind
wunderbar, aber die Interpretationen und Umsetzungen des Ganzen durch
Einzelne werfen einen langen Schatten. Missverständnisse, Klischees
und Vorurteile prägen das Bild.
Gefangen zwischen Pop und Subkultur,
zwischen Poesie und Polemik wird diese Kultur fast täglich auf den
medialen Opfertisch getragen. Einige schreien frenetisch „Ich lebe
für HipHop“, andere rümpfen die Nase und deklarieren ihn als
jugendgefährdend. HipHop ist und bleibt ein Phänomen und für die
Masse unverständlich – obwohl im er Mainstream immer mehr
konsumierbar geworden ist.
Seit ich denken
kann musste ich mich für meinen Musikgeschmack oder vielmehr für
meine Liebe zur HipHop-Kultur entweder rechtfertigen oder
entschuldigen. Zumindest in bestimmten Kreisen und je älter ich
werde, desto absurder werden die Sprüche, die ich mir geben muss.
„Bist du dafür nicht schon zu alt!?“ oder „Wie lange glaubst
du, kannst du das noch machen?“ oder „Du Hängengebliebener!“
Zugegeben, es gibt auch sehr viel positives Feedback und genau darin
spiegelt sich die Zerrissenheit unserer Gesellschaft wieder.
Wenn ich sagen
würde, ich bin Profi-Fußballer und verdiene 1,2 Millionen im Jahr,
dann würden mir wahrscheinlich die Schultern geklopft. Wenn ich nach
meiner Fußballer-Karriere dann im Fernsehen stehen und versuchen
würde ein Fußballspiel zu kommentieren, dann würden alle sagen:
„Der versteht wenigstens was davon, der hat es ja selber jahrelang
gespielt!“
Nur bei uns
HipHop-Leuten scheint Erfahrung und Alter eher etwas Negatives zu
sein. Dass wir bei Fußball aber von Sport und bei HipHop von Kultur
reden, dass man Fußball SPIELT und es keinen größeren Anspruch
gibt als Tore zu schießen, dass vergessen viele. Ich möchte mich
gar nicht negativ über Fußball auslassen, denn, wenn ich sehe, wie
viele Jugendliche durch die Liebe zu diesem Sport Kraft finden und
wie viel Spaß er macht, dann hat er meine 100%ige Unterstützung –
auch wenn ich kein Fußball-Verrückter bin.
Ich fühle mich manchmal wie der
Bewohner eines Gallischen Dorfes, umzingelt von Helene Fischer-Fans
(No hate – Lass sie!). Offensichtlich schafft es unsere
Gesellschaft neben den authentischen, schießwütigen, tätowierten,
rappenden Ex-Justizvollzugsinsassen über die überall berichtet
wird, die Existenz der anderen Waagschale vollends
auszublenden. Ich würde lachen wenn es nicht so traurig wäre, aber
das Harlekin-Kostüm steht mir einfach nicht.
Ich hingegen kämpfe mit lächerlichen
Gesten, Yo Yo-Rufen und den obligatorischen „brennenden
Mülltonnen“. XXL-Shirts und schiefe Caps werden belächelt, aber
Kicker-Matte, T-Shirt in die Karotten-Jeans und Ed Hardyeske Desingsn
sind akzeptiert. Okay, es hat sich vieles geändert. HipHop ist groß
wie nie, er hat sich in alle Teile der Gesellschaft gesneakt und
bestimmt die Ästhetik vieler Dinge. Die jüngere Generation hat
diese Aversion nicht mehr, aber sie hat traurigerweise zu oft, ein zu
einseitiges Bild von HipHop.
Auf der einen Seite finde ich es
erfrischend zu sehen, dass Rap aus Deutschland mittlerweile mehr
Relevanz hat, als der aus den USA. Heutzutage lässt sich der
Nachwuchs mehr von den Rappern aus ihrer Nachbarschaft inspirieren,
als von den Weltstars. HipHop ist endlich ganz in Deutschland
angekommen – mit eigener Identität. Früher war das nicht so.
Andererseits ist die Gefahr allerdings
auch hier, dass es wieder ein Extrem ist. Sind wir ehrlich: HipHop
ist nicht nur USA und BRD - schönes Beispiel ist doch an dieser
Stelle die Kollabo von Retrogott und Brous One aus Chile. Es ist so
viel großartige Zusammenarbeit möglich geworden – dank des
Internets.
Ich komme aus einer Zeit, in der der
HipHop U.S.-geprägt war und das hat meinen Geschmack extrem
beeinflusst.
Rückblickend haben wir uns anfangs
mehr an den amerikanischen Acts orientiert, als an uns gegenseitig –
ganz schön bescheuert eigentlich. Wenn ich jetzt zum Beispiel alte
Aphroe Songs höre, dann frage ich mich ernsthaft, warum wir über
den Teich geblickt haben, wo das Gute doch direkt neben uns war. Das
einzusehen hat allerdings fast 15 Jahre gedauert.
Ich kämpfe mit der Zwiespältigkeit,
der Existenz zwischen Bildung/Wissen und völliger Ignoranz. Einfach
ausgedrückt: Ich stehe zwischen KRS und Snoop Dogg. Ich mag übrigens
beide. Während HipHop hierzulande hooliganmäßige Formen des
Fantums angenommen hat, sieht es in den USA. anders aus. Dort
kooperieren Leute, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam
haben – z.B. Public Enemy/Ice Cube oder Nas/Scarface. Hier in
Deutschland wäre eine Kollabo zwischen Bushido/Torch damit
vergleichbar. Das klingt für jeden eher
undenkbar, denn das ist nur dann möglich, wenn entweder a) sich alle
als Teil einer Sache sehen oder b) es ein gemeinsames Ziel gibt.
Beides ist momentan wohl nicht vorhanden.
Ich stelle mir die HipHop-Community wie
eine große Familie vor – und um ganz realistisch zu sein – seine
Verwandtschaft sucht man sich nicht aus. Zu den Einen hat man ein
gutes Verhältnis, zu Anderen ein eher distanziertes. Ich habe
Menschen in meiner Verwandtschaft, mit denen möchte ich auch nicht
unbedingt in den Urlaub fahren. Am Ende allerdings, steht man doch
zusammen. „Gleiches Blut.“
Wenn ich mir Rap in Deutschland genauer
betrachte, dann stelle ich fest, dass ich mittlerweile mehr „Street“
oder „Gangster“ Rapper aus den Massen-Medien kenne als
„Concious-Spitter“. Ich lese im Spiegel etwas über Rapper, die
als Terroristen betitelt werden oder von Gangster-Rappern, die
Geldtransporter überfallen. Im Gegenzug liest man – wenn man Glück
hat – vielleicht etwas über das Phänomen Cro – aber das war's
dann schon fast mit positiver Berichterstattung.
Ich weiß, dass es da draußen eine
Menge an großartigen MCs gibt, die andere Themen verarbeiten als
Straße oder Gangstertum, aber Sex und Crime sells – der
Beste im Lesewettbewerb zu sein macht einem nicht grade zum sexy
Aufreißer.
Auch interessant
ist, dass 3 von 4 erfolgreichen Rappern in Deutschland Masken tragen
bzw. trugen - wobei man bei Marsimoto sagen muss, dass ja jeder weiß
wie der Marten aussieht. Anders ist es bei Sido (auf jeden Fall lange
gewesen) und jetzt bei Cro. Sogar im Underground macht sich das
Masken tragen breit - siehe Genetikk oder Lance Butters. Versteht
mich nicht falsch, ich habe nichts gegen das Maskieren – ich finde
es nur interessant zu sehen, dass der Mainstream offensichtlich
besser mit deutschsprachigem Rap klar kommt, wenn sich der
Protagonist sich nicht zu erkennen gibt. Warum? Was löst so eine
Maske aus?
Viele Leute sagten mir vor längerer
Zeit, ich sollte doch auch mal „so etwas“ machen. Damit meinten
sie „Street“-Rap. Zu 95% waren es Leute, die mit HipHop nichts zu
tun haben – für die es keinen Unterschied zwischen Fantas und
Blumentopf gibt. Sie behaupteten, ich sei besser als „diese“
ganzen Sidos und Savas' (so sagten sie es). Ich hasse diese
Ansprache. Ich teile ihre Meinung nicht, denn es ist – und ich
meine es wertfrei – als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen.
Wo fängt „besser“ überhaupt an? Bei Inhalten, bei Technik ?
Jeder der oben genannten Künstler hat seinen Platz oder wie sagt
man: Jeder Affe hat seinen Ast. Auch ich hab meinen. „Diese“
Sidos und Savas' sind eine Bereicherung für die HipHop-Kultur –
genau wie die Caspers und Ekos. Die Vielfältigkeit macht sie so
Interessant – unsere Kultur.
Es ist und war nie meine Intention mich
dem Zeitgeist oder dem Massengeschmack anzupassen. Oder soll ich mir
jetzt eine Maske aus Fimo basteln oder mit Henna den Oberkörper
tätowieren nur um in die Ikea-Schublade für Klischee-Rapper zu
passen? Musikalisches Pinguin-und Lemmingtum sind mir zu wider. Mein
Musikmachen hat nicht mit Kunden bedienen angefangen. Ich habe mich
für Musik als Ausdrucksmittel entschieden – nicht als Mittel zum
Geld verdienen. Ich habe größten Respekt vor z.B. Kellnern oder
Kassierern, die arbeiten um Geld zu verdienen, ohne die Chance sich
in ihrem Beruf verwirklichen zu können und gerade deshalb ist es ein
Privileg für mich von HipHop zu leben.
Viele denken oder erwarten von mir,
dass ich ein Gegner von Gangster- oder Battle-Rap bin, aber das bin
ich nicht. Ich meine, um es bildlich auszudrücken, immer nur grüner
Tee wird auf Dauer auch eintönig. HipHop
ist ein Spiegel des Lebens,
mit allen Facetten. Das Schöne daran
ist, jeder kann entscheiden, was er hören will – außer vielleicht
die Leute in Bürogemeinschaften.
Rap
ist mehr als Entertainment – es ist Edutainment. Der
Gangster-Rapper mit Straßen-Background kann mir was über sein Leben
erzählen, egal ob dreckig oder krass – solange er reflektiert ist,
ist er interessant und spannend für mich. Wenn allerdings die
Geschichten sich immer wiederholen, dann verkommt der „authentische“
Street-Rap zu einem musikalischen Arzt-Roman mit GZSZ-Dramartugie und
wird langweilig. Das Glorifizieren von ghettoesken, miserablen
Lebensumständen ist doch ein Schlag ins Gesicht jeden echten
Sozialfalls. Aus dem „schlimmste Ghetto“ zu kommen als Attribut
für die Qualität des eigenen Raps zu stilisieren, ist furchtbar
peinlich.
Schwulenfeindliche, frauenfeindliche
oder gewaltverherrlichende Phrasen zeugen nur von davon, dass
entweder die Entwicklung des jeweiligen Menschen nicht besonders weit
ist oder jemand genau diese Dinge sagt, um zu gefallen. Natürlich
bin ich für Meinungsfreiheit, aber auch für Verantwortung.
„Beef“
ist Schulhof-Promotion. Es wird mehr darüber geredet, wie
sich die Rapper beleidigen und warum – es wird spekuliert, was echt
und was wahr ist.
Ich kann mir jetzt 15 bis 30 minütige
Hasstiraden anhören (Pluspunkt dabei ist, dass es die
durchschnittliche Durch-Lesezeit einer Bildzeitung um mindestens das
10fache übersteigt), in Szene gesetzt bei YouTube – mit viel
Drama. Wo ist die Message? Worum geht es eigentlich? Okay, nicht
alles muss immer einen Sinn ergeben, aber nicht alles muss immer
keinen ergeben.
Ich mag Einblicke in ein Leben, das ich
nicht lebe, aber ich mag auch Bewegung. HipHop war und ist ein Weg in
andere – vielleicht bessere Umstände. Er gibt einem eine Stimme,
er zeigt einem seine Grenzen aber auch Perspektiven – er schenkt
einem Selbstbewusstsein und lässt einen wachsen. Wenn man es
zulässt.