Dienstag, 6. Januar 2015

HIPHOP

HipHop started out in the Parc…when the Days got dark…got me reminiscing back…!”
(Smif-N-Wessun)

Mit HipHop verhält es sich wie mit den Weltreligionen: Die Ideen, die moralischen Grundsätze sind wunderbar, aber die Interpretationen und Umsetzungen des Ganzen durch Einzelne werfen einen langen Schatten. Missverständnisse, Klischees und Vorurteile prägen das Bild.
Gefangen zwischen Pop und Subkultur, zwischen Poesie und Polemik wird diese Kultur fast täglich auf den medialen Opfertisch getragen. Einige schreien frenetisch „Ich lebe für HipHop“, andere rümpfen die Nase und deklarieren ihn als jugendgefährdend. HipHop ist und bleibt ein Phänomen und für die Masse unverständlich – obwohl im er Mainstream immer mehr konsumierbar geworden ist.

Seit ich denken kann musste ich mich für meinen Musikgeschmack oder vielmehr für meine Liebe zur HipHop-Kultur entweder rechtfertigen oder entschuldigen. Zumindest in bestimmten Kreisen und je älter ich werde, desto absurder werden die Sprüche, die ich mir geben muss. „Bist du dafür nicht schon zu alt!?“ oder „Wie lange glaubst du, kannst du das noch machen?“ oder „Du Hängengebliebener!“ Zugegeben, es gibt auch sehr viel positives Feedback und genau darin spiegelt sich die Zerrissenheit unserer Gesellschaft wieder.
Wenn ich sagen würde, ich bin Profi-Fußballer und verdiene 1,2 Millionen im Jahr, dann würden mir wahrscheinlich die Schultern geklopft. Wenn ich nach meiner Fußballer-Karriere dann im Fernsehen stehen und versuchen würde ein Fußballspiel zu kommentieren, dann würden alle sagen: „Der versteht wenigstens was davon, der hat es ja selber jahrelang gespielt!“
Nur bei uns HipHop-Leuten scheint Erfahrung und Alter eher etwas Negatives zu sein. Dass wir bei Fußball aber von Sport und bei HipHop von Kultur reden, dass man Fußball SPIELT und es keinen größeren Anspruch gibt als Tore zu schießen, dass vergessen viele. Ich möchte mich gar nicht negativ über Fußball auslassen, denn, wenn ich sehe, wie viele Jugendliche durch die Liebe zu diesem Sport Kraft finden und wie viel Spaß er macht, dann hat er meine 100%ige Unterstützung – auch wenn ich kein Fußball-Verrückter bin.

Ich fühle mich manchmal wie der Bewohner eines Gallischen Dorfes, umzingelt von Helene Fischer-Fans (No hate – Lass sie!). Offensichtlich schafft es unsere Gesellschaft neben den authentischen, schießwütigen, tätowierten, rappenden Ex-Justizvollzugsinsassen über die überall berichtet wird, die Existenz der anderen Waagschale vollends auszublenden. Ich würde lachen wenn es nicht so traurig wäre, aber das Harlekin-Kostüm steht mir einfach nicht.

Ich hingegen kämpfe mit lächerlichen Gesten, Yo Yo-Rufen und den obligatorischen „brennenden Mülltonnen“. XXL-Shirts und schiefe Caps werden belächelt, aber Kicker-Matte, T-Shirt in die Karotten-Jeans und Ed Hardyeske Desingsn sind akzeptiert. Okay, es hat sich vieles geändert. HipHop ist groß wie nie, er hat sich in alle Teile der Gesellschaft gesneakt und bestimmt die Ästhetik vieler Dinge. Die jüngere Generation hat diese Aversion nicht mehr, aber sie hat traurigerweise zu oft, ein zu einseitiges Bild von HipHop.

Auf der einen Seite finde ich es erfrischend zu sehen, dass Rap aus Deutschland mittlerweile mehr Relevanz hat, als der aus den USA. Heutzutage lässt sich der Nachwuchs mehr von den Rappern aus ihrer Nachbarschaft inspirieren, als von den Weltstars. HipHop ist endlich ganz in Deutschland angekommen – mit eigener Identität. Früher war das nicht so.
Andererseits ist die Gefahr allerdings auch hier, dass es wieder ein Extrem ist. Sind wir ehrlich: HipHop ist nicht nur USA und BRD - schönes Beispiel ist doch an dieser Stelle die Kollabo von Retrogott und Brous One aus Chile. Es ist so viel großartige Zusammenarbeit möglich geworden – dank des Internets.

Ich komme aus einer Zeit, in der der HipHop U.S.-geprägt war und das hat meinen Geschmack extrem beeinflusst.
Rückblickend haben wir uns anfangs mehr an den amerikanischen Acts orientiert, als an uns gegenseitig – ganz schön bescheuert eigentlich. Wenn ich jetzt zum Beispiel alte Aphroe Songs höre, dann frage ich mich ernsthaft, warum wir über den Teich geblickt haben, wo das Gute doch direkt neben uns war. Das einzusehen hat allerdings fast 15 Jahre gedauert.

Ich kämpfe mit der Zwiespältigkeit, der Existenz zwischen Bildung/Wissen und völliger Ignoranz. Einfach ausgedrückt: Ich stehe zwischen KRS und Snoop Dogg. Ich mag übrigens beide. Während HipHop hierzulande hooliganmäßige Formen des Fantums angenommen hat, sieht es in den USA. anders aus. Dort kooperieren Leute, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben – z.B. Public Enemy/Ice Cube oder Nas/Scarface. Hier in Deutschland wäre eine Kollabo zwischen Bushido/Torch damit vergleichbar. Das klingt für jeden eher undenkbar, denn das ist nur dann möglich, wenn entweder a) sich alle als Teil einer Sache sehen oder b) es ein gemeinsames Ziel gibt. Beides ist momentan wohl nicht vorhanden.
Ich stelle mir die HipHop-Community wie eine große Familie vor – und um ganz realistisch zu sein – seine Verwandtschaft sucht man sich nicht aus. Zu den Einen hat man ein gutes Verhältnis, zu Anderen ein eher distanziertes. Ich habe Menschen in meiner Verwandtschaft, mit denen möchte ich auch nicht unbedingt in den Urlaub fahren. Am Ende allerdings, steht man doch zusammen. „Gleiches Blut.“

Wenn ich mir Rap in Deutschland genauer betrachte, dann stelle ich fest, dass ich mittlerweile mehr „Street“ oder „Gangster“ Rapper aus den Massen-Medien kenne als „Concious-Spitter“. Ich lese im Spiegel etwas über Rapper, die als Terroristen betitelt werden oder von Gangster-Rappern, die Geldtransporter überfallen. Im Gegenzug liest man – wenn man Glück hat – vielleicht etwas über das Phänomen Cro – aber das war's dann schon fast mit positiver Berichterstattung.

Ich weiß, dass es da draußen eine Menge an großartigen MCs gibt, die andere Themen verarbeiten als Straße oder Gangstertum, aber Sex und Crime sells – der Beste im Lesewettbewerb zu sein macht einem nicht grade zum sexy Aufreißer.

Auch interessant ist, dass 3 von 4 erfolgreichen Rappern in Deutschland Masken tragen bzw. trugen - wobei man bei Marsimoto sagen muss, dass ja jeder weiß wie der Marten aussieht. Anders ist es bei Sido (auf jeden Fall lange gewesen) und jetzt bei Cro. Sogar im Underground macht sich das Masken tragen breit - siehe Genetikk oder Lance Butters. Versteht mich nicht falsch, ich habe nichts gegen das Maskieren – ich finde es nur interessant zu sehen, dass der Mainstream offensichtlich besser mit deutschsprachigem Rap klar kommt, wenn sich der Protagonist sich nicht zu erkennen gibt. Warum? Was löst so eine Maske aus?

Viele Leute sagten mir vor längerer Zeit, ich sollte doch auch mal „so etwas“ machen. Damit meinten sie „Street“-Rap. Zu 95% waren es Leute, die mit HipHop nichts zu tun haben – für die es keinen Unterschied zwischen Fantas und Blumentopf gibt. Sie behaupteten, ich sei besser als „diese“ ganzen Sidos und Savas' (so sagten sie es). Ich hasse diese Ansprache. Ich teile ihre Meinung nicht, denn es ist – und ich meine es wertfrei – als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen. Wo fängt „besser“ überhaupt an? Bei Inhalten, bei Technik ? Jeder der oben genannten Künstler hat seinen Platz oder wie sagt man: Jeder Affe hat seinen Ast. Auch ich hab meinen. „Diese“ Sidos und Savas' sind eine Bereicherung für die HipHop-Kultur – genau wie die Caspers und Ekos. Die Vielfältigkeit macht sie so Interessant – unsere Kultur.
Es ist und war nie meine Intention mich dem Zeitgeist oder dem Massengeschmack anzupassen. Oder soll ich mir jetzt eine Maske aus Fimo basteln oder mit Henna den Oberkörper tätowieren nur um in die Ikea-Schublade für Klischee-Rapper zu passen? Musikalisches Pinguin-und Lemmingtum sind mir zu wider. Mein Musikmachen hat nicht mit Kunden bedienen angefangen. Ich habe mich für Musik als Ausdrucksmittel entschieden – nicht als Mittel zum Geld verdienen. Ich habe größten Respekt vor z.B. Kellnern oder Kassierern, die arbeiten um Geld zu verdienen, ohne die Chance sich in ihrem Beruf verwirklichen zu können und gerade deshalb ist es ein Privileg für mich von HipHop zu leben.
Viele denken oder erwarten von mir, dass ich ein Gegner von Gangster- oder Battle-Rap bin, aber das bin ich nicht. Ich meine, um es bildlich auszudrücken, immer nur grüner Tee wird auf Dauer auch eintönig. HipHop ist ein Spiegel des Lebens,
mit allen Facetten. Das Schöne daran ist, jeder kann entscheiden, was er hören will – außer vielleicht die Leute in Bürogemeinschaften.
Rap ist mehr als Entertainment – es ist Edutainment. Der Gangster-Rapper mit Straßen-Background kann mir was über sein Leben erzählen, egal ob dreckig oder krass – solange er reflektiert ist, ist er interessant und spannend für mich. Wenn allerdings die Geschichten sich immer wiederholen, dann verkommt der „authentische“ Street-Rap zu einem musikalischen Arzt-Roman mit GZSZ-Dramartugie und wird langweilig. Das Glorifizieren von ghettoesken, miserablen Lebensumständen ist doch ein Schlag ins Gesicht jeden echten Sozialfalls. Aus dem „schlimmste Ghetto“ zu kommen als Attribut für die Qualität des eigenen Raps zu stilisieren, ist furchtbar peinlich.

Schwulenfeindliche, frauenfeindliche oder gewaltverherrlichende Phrasen zeugen nur von davon, dass entweder die Entwicklung des jeweiligen Menschen nicht besonders weit ist oder jemand genau diese Dinge sagt, um zu gefallen. Natürlich bin ich für Meinungsfreiheit, aber auch für Verantwortung.
Beef“ ist Schulhof-Promotion. Es wird mehr darüber geredet, wie sich die Rapper beleidigen und warum – es wird spekuliert, was echt und was wahr ist.
Ich kann mir jetzt 15 bis 30 minütige Hasstiraden anhören (Pluspunkt dabei ist, dass es die durchschnittliche Durch-Lesezeit einer Bildzeitung um mindestens das 10fache übersteigt), in Szene gesetzt bei YouTube – mit viel Drama. Wo ist die Message? Worum geht es eigentlich? Okay, nicht alles muss immer einen Sinn ergeben, aber nicht alles muss immer keinen ergeben.


Ich mag Einblicke in ein Leben, das ich nicht lebe, aber ich mag auch Bewegung. HipHop war und ist ein Weg in andere – vielleicht bessere Umstände. Er gibt einem eine Stimme, er zeigt einem seine Grenzen aber auch Perspektiven – er schenkt einem Selbstbewusstsein und lässt einen wachsen. Wenn man es zulässt.


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