Freitag, 17. Dezember 2010

Wohlfühlen, Wendand, Weihnachtsbäckerei

Ich verfluche den Tag, an dem mein Körper beschloss, jegliche Fettverbrennung einzustellen und es stattdessen in meiner Körpermitte abzulagern. Ich nenne diesen heiklen Bereich nicht ohne Ironie „mein Wendland“. Er ist nur eine Zwischenlösung – KEIN Endlager. Jeder, der mich kennt, weiß, das ist hier jammern auf hohem Niveau, denn man kann nicht grade behaupten, ich sei übergewichtig oder Blobb-artig, nur früher lag mein Körperfettanteil bei minus 25 Prozent. Ich sah aus wie ein mit Butterbrotpapier überzogenes Holzgerüst, deshalb hat ein Freund von mir auch gerne behauptet, man könne mich mit einem Teelicht röntgen.
Die Wende kam, als ich ohne Eintritt zu zahlen auf Ü30-Partys gehen konnte. Mein Körper fing an, seine Jugendlichkeit über Bord zu werfen und erwachsen zu werden – er wollte sogar Karriere machen und fing an zu expandieren. Früher hatte ich Tischtennis gespielt, Badminton-Federbälle geschmettert und Bruce Lee kopiert, jetzt schleppe ich meinen Hautsack pfeifend in den dritten Stock. Sieht man das V als Optimum für eine Form des Oberkörpers, dann bin ich jetzt bei der Form des Weihnachtsbaums angekommen – vielleicht noch nicht physisch, aber psychisch bestimmt. Ich habe schlicht und einfach vergessen, Sport zu machen.
Ich bin Mitglied in einem Fitness-Studio und zahlte die vergangenen zwölf Monate meinen Mitgliedsbeitrag, ohne überhaupt hinzugehen. Schlau, nicht wahr!? Im Gegensatz zu den Zehntausenden Muckibudenmitgliedern, denen es genauso geht, bekämpfe ich den inneren Schweinehund mit einer mentalen 44er Magnum, aber das Biest ist zäh. Ein Großteil meines Trainings besteht daraus, zusammen mit meiner Frau Fitness-Funktionskleidung bei Tchibo auszusuchen, und der andere Teil besteht aus Überwindung und Selbstmotivation. Auf mein Gewicht und mein Körpergefühl hat es bisher leider keine Auswirkung.
Ich stehe zu Hause, packe mein Zeug – ich würde lieber auf der Couch liegen – ich versuche, das Gefühl zu visualisieren, das ich nach dem Sport habe. Ich überwinde mich. Ich betrete das Studio, man begrüßt mich mit Handschlag – erkundigt sich nach den letzten Monaten und wir diskutieren in Sekundenbruchteilen die Lage der Nation. Ich ziehe mich um, fühle mich sportlich und steige auf das Laufband, fühle mich fit, großartig und denke, dass ich doch eigentlich noch ganz gut in Schuss bin. Leider hält dieses Glücksgefühl kürzer an als der längste Orgasmus, den ich je hatte, dann schlägt die Realität einen abscheulichen Haken auf meine Leber und raubt mir die Luft zum Atmen. Life is a bitch! Die Zeit auf so einem Laufband hat die Angewohnheit, sich Zeit zu lassen. Die zehn Minuten Aufwärmphase ziehen sich wie eine Folge Großstadtrevier. Richtig demütigend wird es, wenn man dann zum ersten Mal wieder an die Gewichte geht. So muss sich Superman auf Kryptonit fühlen. Wenn die Muskeln Trauer tragen ... mein Körper weint, jede einzelne Faser brennt wie ein Hochofen. Hätte ich Schwarzeneggers 1980er Muskeln, würde ich mich wie ein Ganzgott fühlen. Momentan kriege ich allerdings beim Duschen die Arme zum Haare waschen nicht mehr über den Kopf. Ich bin nicht Generation X, ich bin Degeneration JETZT.
Die Weihnachtszeit steht vor der Tür. Draußen ist es dunkel und kalt, die Menschen schmiegen sich an die Heizung und es wird wieder gebacken. Neue Castoren für mein Wendland. Ich habe das Gefühl, mein Leben besteht aus Ausnahmen. Dieses typische „Ach komm, nur heute!“ oder „Das hab' ich mir verdient!“ und so weiter. Alles, was man sich selbst eben so sagt, um seine Undiszipliniertheit vor sich selbst zu rechtfertigen. Unsere Leben sind auf Selbstbetrug gebaut, und genau wie Venedig laufen wir Gefahr, mit der nächsten Flut verschluckt zu werden.
Es bleiben ja noch die guten Vorsätze für das nächste Jahr, aber bis dahin heißt es Zähne zusammenbeißen und nicht den Christstollen dazwischen kommen lassen. Vielleicht auch mal keine Cola zum Frühstück und Finger weg vom Frittenfett. Sport ist kein Angstgegner, und man muss auch nicht unbedingt einen Fitness-Tempel besuchen, um seinem Körper ein wenig Bewegung anzutun. Ich bin mir sicher, er wird es uns danken, denn nicht jeder von uns ist resistent gegen Umweltgifte wie Helmut Schmidt.
Ich verbleibe mit den Worten Xavier Naidoos: „Dieser Weg wird kein leichter sein!“. Sollte es dennoch alles schiefgehen, trete ich persönlich dafür ein, ein neues Schönheitsideal zu etablieren. Germanys next Top-Moppel.
Ich fahr jetzt mal ins Level-Up. Ach ja, ich wüsste gerne eure guten Vorsätze für 2011 – schickt mir doch mal eine Mail an spax@spax-hiphop.de. Ich freu mich.

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